Es war der 6. Juli 2022. Die Wetterstation am Gipfel des Hohen Sonnblicks auf 3.106 Metern Seehöhe zeigte eine Schneehöhe von null Zentimeter. Der Sonnblick war so früh schneefrei wie nie. Im Schnitt ist der Gipfel Ende August oder Anfang September ausgeapert, der bisher früheste Tag war der 13. August im Jahr 2003. Andere Wetterstationen in diesen Höhen wie jene am Pitztaler Gletscher zeigen ein ähnliches, schneearmes Bild. Ö3-Meteorologe Daniel Schrott fasste es auf Twitter knapp zusammen: "Die Alpen sind zu warm für Gletscher."

Erschwerter Aufstieg am Großvenediger

Stefan Altenberger ist Bergführer aus Uttendorf im Pinzgau und begleitet Kundinnen und Kunden mit seinem Team auf Großglockner, Großvenediger und Konsorten. Die schneearme Situation beschreibt er anhand des Großvenedigers: "Auf manchen Routen ist die Schneelage wie normalerweise Ende August. Die Normalroute ist sehr zerklüftet, in einer klaren Nacht gefriert der Schnee, was das Überqueren bestimmter Abschnitte erleichtert. Wenn er nicht mehr gefriert, kann es sein, dass man nicht mehr über diese kommt, oder in Spalten einbricht."

Dass der Schnee über den zerklüfteten Abschnitten in Zukunft immer öfter nicht mehr gefrieren könnte, zeichnet sich gerade ab. Im Vergleich mit dem Mittelwert der 1960er-Jahre ist die Temperatur in den vergangenen zehn Jahren am Sonnblick bereits um rund 2,5 Grad gestiegen.

2,5 Grad mehr - 2,5 Meter weniger

Neben der steten Erwärmung ist für den akuten Schneemangel aber vor allem der fehlende Niederschlag im März verantwortlich: "Normalerweise schneit es am Sonnblick im März rund 2,5 Meter, heuer waren es nur sieben Zentimeter", erklärt Alexander Orlik von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). "Schon der Jänner war relativ schneearm, auf den März folgte ein normaler April, ein eher trockener und sehr warmer Mai und schließlich ein warmer Juni, der dem wenigen Schnee den Rest gegeben hat", sagt Orlik. Normalerweise sollten Mitte Juli ein bis zwei Meter Schnee liegen.

Neben fatalen Konsequenzen für Gletscher, Flora und Fauna, wirkt sich das auch auf Permafrostböden aus. Diese halten unter anderem auch Gestein zusammen, das sich beim Auftauen löst: "Dann kommt es zu Felsstürzen", sagt Orlik: "Das muss nicht heuer sein, kann aber in den nächsten Jahren passieren."

"Steinschlag ist immer Thema"

Pragmatisch für seine Zunft sieht die Situation noch Michael Amraser, Bergführer aus Kals am Großglockner in Osttirol: "Gletscherspalten und Steinschlag sind im hochalpinen Bereich immer Thema und die Gletscherspalten gehen mal früher, mal später auf. Wenn ein heißer Sommer kommt, wird das heuer früher werden. Und wenn etwas Großes ausbricht, muss man den Bereich meiden." Aktuell hat sich die Lage wieder etwas beruhigt. In den letzten Tagen war es kühler. Über 3.000 Meter ist etwas Schnee gefallen. "Das hält wieder ein paar Tage", sagt Amraser.