Hunderte Gefährdungsmeldungen, die die Rechercheplattform "Dossier" in den vergangenen Monaten recherchiert hat, machen die Personalnot in den heimischen Spitälern deutlich. Die personellen Engpässe im Pflegebereich betreffen demnach alle Bundesländer und öffentliche wie private Krankenhäuser – und haben mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das – nicht erst seit Corona – zur "Gefahr für Patientinnen und Patienten" geworden ist, wie "Dossier" zusammenfassend festhält.

Pflegekräfte sind gesetzlich verpflichtet, gefährliche Situationen, die durch personelle Unterbesetzung entstehen und die nicht im persönlichen Wirkungsbereich entschärft werden können, zu melden.

"Wahnsinn"

Mehr als 350 derartiger Gefahrenanzeigen aus den Jahren 2018 bis 2022 hat sich die Investigativ-Plattform näher angesehen. Diese lesen sich teilweise mit Erschrecken: "Es ist Wahnsinn, bei der Abendrunde läutet es nur, man weiß kaum, wo man zuerst sein soll, natürlich setzt man Prioritäten, doch man sieht nicht alles, weil man muss alleine arbeiten (leider). Die Patienten [...] haben Durst, Verwirrte schreien die ganze Nacht [...], viele Sterbende bzw. Palliativpatienten, die möchten reden – kaum Zeit."

Eine andere Pflegekraft berichtet: "Mobilisationen konnten aufgrund von Zeitmangel nicht durchgeführt werden. Essenseingaben können teilweise nur kurz oder gar nicht erfolgen." "Einen Nachtdienst mit so vielen frisch operierten Patienten an einer Normalstation alleine leisten zu müssen, ist hart an der Grenze zur gefährlichen Pflege", bemerkt eine andere Fachkraft.

"Systematisch überhört"

Diese Alarmsignale würden "systematisch überhört", heißt es in dem "Dossier"-Bericht. Krankenhausträger in Nieder- und Oberösterreich räumen demnach ein, dass Gefährdungsmeldungen nicht zentral erfasst werden. Aus anderen Bundesländern heißt es, die Anzeigen würden "intern behandelt". Einen genauen Überblick gibt es offenbar nicht: Offiziell sind in Wien in den Jahren 2020 und 2021 aus den städtischen Kliniken 85 Gefährdungsmeldungen eingegangen, die Gewerkschaft Younion kommt allerdings auf 195.

Kündigung angedroht

Für Pflegerinnen und Pfleger, die – auch im Interesse der Patientinnen und Patienten – Missstände aufzeigen, hat das oft negative Folgen. "Dossier" berichtet etwa vom Fall einer Krankenpflegerin, der darauf hin die Kündigung angedroht wurde. Andere wurden mit schlechteren Dienstplänen bedacht oder versetzt.

"Wir haben in der Pflege teilweise noch ein Managementverständnis aus den 1970er-, 1980er-Jahren. Mit Druck und Manipulation wird geführt. Da ist nicht vorgesehen, dass jemand ausschert", wird in diesem Zusammenhang Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV), im "Dossier" zitiert.

Kages: Bis zu 30 Meldungen pro Abteilung und Jahr

Für Gefährdungsmeldungen verwendet die steirische Spitalsgesellschaft Kages ein "Critical Incident Reporting System", erläutert Vorstandsvorsitzer Gerhard Stark. Es ist dazu da, um "beinahe unerwünschte Ereignisse" zu melden - anonym, und mit der Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge zu machen. Die Meldungen werden ernst genommen und bearbeitet: Im Schnitt sind es im Jahr "20 bis 30 pro Abteilung".

Seit der Pandemie würden die Abteilungen, Stationen, Häuser und Träger besser miteinander kooperieren. "Wir passen an und müssen es auch tun." Zuletzt bei der Rücknahme von Leistungen bis hin zum Notbetrieb.

Freilich ist Überforderung nie auszuschließen. "Wer Respekt vor der Unendlichkeit der Schöpfung hat", der wisse das.