PRO, Sigrid Pilz

Kann ja ohnehin jeder mit der Maske rumlaufen, wenn er Panik schiebt, da hindert ihn eh keiner. Ich lass mir aber sicher nicht vorschreiben, deswegen das Ding noch aufzusetzen!" – so oder auch unhöflicher reagieren Leute, die Schutzmasken als Spaßbremse abqualifizieren.

Klingt logisch, ist es aber nicht. Erstens, weil sich die Allerkleinsten von diesen Freiheitskämpfern schutzlos anhusten lassen müssen. Sie sind nämlich noch ungeimpft und per se maskenlos. Zweitens kommt der Nutzen der Maske dann am besten zum Tragen, wenn alle Anwesenden sie verwenden.

Wer gegen die Maske herzieht, hat nämlich nichts von gefährlicher Aerosolübertragung verstanden. Das Max Planck Institut zeigt in einer rezenten Studie, wie hoch das Corona-Infektionsrisiko für verschiedene Verhaltensszenarien ist. Schlechte Neuigkeiten für Maskenmuffel: Selbst bei drei Metern Abstand dauert es keine fünf Minuten, bis sich eine ungeimpfte Person an der Atemluft eines infizierten Gegenübers ansteckt. Wenn jedoch beide gut sitzende FFP2-Masken tragen, sinkt das Risiko, sich innerhalb von 20 Minuten anzustecken, auf rund ein Promille. Daher plädieren die Forschenden für Masken auch in Schulen.

Wir wissen noch viel zu wenig über die möglichen Schäden durch Corona. Dass Long Covid tückisch ist und manche auf Dauer in die Arbeitsunfähigkeit zwingt, ist belegt und gibt Anlass zu großer Sorge. "Mild", gar harmlos ist auch Omikron nicht. In New York etwa habe diese Mutation die zweithöchste Todesrate aller Wellen verursacht, warnte der Infektiologe Florian Krammer unlängst bei einem Vortrag an der Medizinischen Universität Wien. Zero Covid, also das gänzliche Zurückdrängen des Virus, sei daher eine gute Strategie, empfahl der renommierte Forscher, wir sollten es also versuchen. Sie macht für Krammer dann Sinn, wenn wir gleichzeitig die notwendige Durchimpfung schaffen.

Selbst wenn wir nicht so ambitioniert sind, sondern uns mit einer Niedriginzidenz-Strategie zufriedengeben, müssen wir an allen Schrauben drehen: So etwa an Maskenpflicht, Luftreinigung in Schulen, Impfpflicht zumindest für Gesundheitsberufe und PädagogInnen, Homeoffice, wo es geht, und weiterhin Gratistests und guten Aufklärungskampagnen.
Die Regierung hat uns ohne Not mitten in einem gefährlichen Infektionshoch alle Schutzmaßnahmen weggezogen. Ungeniert nimmt man die Durchseuchung in Kauf. Den hochgefährdeten Kranken, die sich der Ansteckung keinesfalls aussetzen dürfen, gibt man keine Antwort und zwingt sie mit dem Wegfall der Maskenpflicht in die gänzliche Isolation.

Sigrid Pilz ist die Patientenanwältin der Stadt Wien. Davor war die promovierte Erziehungswissenschaftlerin und Psychologin Gesundheitssprecherin der Wiener Grünen
Sigrid Pilz ist die Patientenanwältin der Stadt Wien. Davor war die promovierte Erziehungswissenschaftlerin und Psychologin Gesundheitssprecherin der Wiener Grünen © (c) APA/KURT KEINATH (KURT KEINATH)

KONTRA, Martin Sprenger

In vielen Bereichen wurde sie nie abgeschafft. Also geht es um die Wiedereinführung einer Maskenpflicht in der Gastronomie, im Handel oder bei Veranstaltungen. Mit welchem Ziel? Eine Eindämmung des Infektionsgeschehens wird damit nicht gelingen. Omikron ist zu infektiös und im privaten Bereich finden Infektionen trotzdem statt. Wer eine FFP2-Maske tragen will, kann es ohne Verpflichtung tun, freilich auch zu Hause. Wem eine maskenfreie Gastronomie zu gefährlich ist, kann diese meiden, oder im Freien Platz nehmen.

Es ist nachvollziehbar, dass aufgrund des hohen Infektionsgeschehens die Maskenpflicht in bestimmten Bereichen aufrecht bleibt. Aber der Staat soll nicht versuchen, jedes Krankheitsrisiko auf null zu reduzieren. Zero Covid war immer eine Illusion. Personen mit erhöhtem Risiko sind hoffentlich geimpft, viele inzwischen auch schon genesen. Bleibt noch eine kleine Gruppe, für die das aus bestimmten Gründen nicht möglich ist. Aber auch die können sich mit einem Mund-Nasen-Schutz (MNS) oder entsprechendem Verhalten schützen.

Eigentlich würde man nach zwei Jahren Pandemie erwarten, dass es in Europa einheitliche Empfehlungen zum MNS gibt. Von wem, warum, in welchem Kontext er getragen werden sollte. Das Gegenteil ist der Fall. In Skandinavien wurde ein MNS zumeist empfohlen, eine Verpflichtung auf ganz bestimmte Bereiche beschränkt. Unter 12-Jährige und Schulen blieben maskenfrei. In Italien und Spanien hingegen gab es eine Maskenpflicht im Freien. Deutschland und Österreich wiederum verpflichteten zum Tragen von FFP2-Masken, auch in den Schulen. Wie kommt es zu so extrem divergierenden Empfehlungen? Die Antwort ist zweischneidig: Erstens ist die Wissensbasis zur Wirksamkeit eines MNS im öffentlichen Raum widersprüchlich und zweitens wurden "Masken" zum Symbol eines politisierten Erkrankungsgeschehens, Teil eines Glaubenskrieges.

Wir können nicht alles kontrollieren. Wir wissen nicht einmal, wie viele Menschen aktuell wirklich infiziert und infektiös sind. Momentan müssen von den offiziell bekannten Fällen 80 von 10.000 (0,8 Prozent) im Krankenhaus versorgt werden. Davon 5 von 10.000 (0,05 Prozent) auf einer Intensivstation. Wie viele davon mit der Hauptdiagnose Covid-19, ist unbekannt.

Sars-CoV-2 wird nicht verschwinden. Eine Infektion mit Omikron zu vermeiden, kann nicht ewig gelingen. Weder mit einem MNS noch mit einer Impfung. Aber Letztere reduziert, so wie eine natürliche Immunität, die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs deutlich. Und darauf kommt es an.

Martin Sprenger ist Arzt und Gesundheitsexperte an der Medizinischen Universität Graz. Er war Mitglied der Corona-Taskforce der Regierung, ehe er diese aus Protest verließ