Welche Rolle spielen Volksschulkinder bei der Ausbreitung des Corona-Virus? Und sind Schulschließungen auch in Zukunft notwendig? Es sind die wohl zentralsten Fragen, die Eltern seit Ausbruch der Pandemie beschäftigen. Eine Studie, die diese Woche an elf Wiener Schulen angelaufen ist, soll sie beantworten – und nebenbei eine neue Testmethode erproben.

Schulstudie auf Etappen – mit 3.000 Teilnehmenden

Auf der Dachterrasse der Ganztagssvolkschule Monte Laa im 10. Wiener Gemeindebezirk wird diese Woche fleißig gegurgelt. Die Volksschule wurde als eine von elf Wiener Pflichtschulen für eine Corona-Pilotstudie ausgewählt, bei der Tests mittels gegurgelter Salzlösung genommen werden. Der unangenehme Nasen-Rachen-Abstrich fällt damit weg. Rund eine Minute muss gegurgelt werden, um eine gültige Probe zu bekommen. Das funktioniere auch bei den jüngeren Schülern bisher gut, sagt Direktorin Irene Jagersberger. Um das Risiko so minimal wie möglich zu halten, werden die Proben in offenen Zelten vor der Schule oder – wie im Fall der Volksschule Monte Laa – auf der Terrasse genommen.

Seit Montag läuft die freiwillige und anonyme Studie, hinter der ein großes Team aus Bildungswissenschaftern, Ärzten, Schuldirektorinnen, Epidemiologen und Studierenden steht. Bis zum Ende der Woche erhofft man sich, 3.000 Proben von Schülerinnen, Schülern und auch vom Lehrpersonal zu haben. Das ganze Prozedere soll dann in der Woche vor den Sommerferien wiederholt werden.

"Gurgelmethode" gleich sicher wie Abstrich

Die Zustimmung der Eltern war mit der neuen Methode leichter zu bekommen, meint Michael Wagner, Studienmitinitiator und Molekularbiologe an der Universität Wien. Er treibt die „Gurgelmethode“ gemeinsam mit anderen Forschern im Rahmen der „Vienna COVID-19 Diagnostics Initiative“ (VCDI) voran. Die Initiative ist ein Zusammenschluss von 21 Wiener Forschungsinstituten und bietet ehrenamtlich Testkapazitäten an. Um mit weniger Tests mehr Kinder zu erfassen, werden die Proben gepoolt, also zusammengefasst. Einzelne Proben werden nur dann durchanalysiert, wenn der zusammengefasste Test positiv ist. Die Testsicherheit der „Gurgelmethode“ ist vergleichbar mit der eines Nasen-Rachen-Abstrichs.

Die Studie ist zum einen ein Testlauf für die innovative Methode. Hauptziel ist aber, herauszufinden, wie verbreitet das Virus an Schulen momentan ist. Anhand der beiden Zeitfenster will man Veränderungen in der Häufigkeit beobachten, sagt Michael Wagner. Der Fokus liege außerdem auf den Volksschulen. Gerade jüngere Kindern sind meistens asymptomatisch und werden dadurch weniger getestet. Es ist unklar, ob sie wie bei der Influenza stark zur Verbreitung des Virus beitragen oder nicht. „Hier fehlen noch sehr viele Daten“, sagt Wagner. Er hofft, dass die Studie auch der Politik Orientierung gibt, ob Schulschließungen in Zukunft tatsächlich notwendig sind oder nicht. 

Mehr flächendeckende Tests möglich und wichtig

Im Hinblick auf eine etwaige zweite Welle nach Schulbeginn im Herbst könnte mit der neuen Methode rasch und günstig der Status an Schulen analysiert werden, so der Wissenschafter und Mitinitiator der Studie. Aber auch abseits von Schulen könnte die "Gurgelmethode" zum Einsatz kommen. Schließlich kann mit dem Ansatz jeder selbst eine Probe nehmen und zur Analyse abgeben. "Wir wollen mit der Methode auch dort testen, wo sonst nicht umfangreich getestet wird. Zum Beispiel in Pflegeheimen, Obdachlosenheimen, Asylunterkünften und Universitäten.

Die gesammelten Ergebnisse der ersten Testwoche liegen dann nächste Woche vor. Welche Schulen an der Studie teilnehmen dürfen, hat die Bildungsdirektion beschlossen. Finanziert wird die Studie von der Stadt Wien und dem Bildungsministerium. Für den Herbst ist eine noch umfassendere Schulstudie geplant. Tatsächlich hätten gerne sogar mehr Schulen an der Studie teilgenommen, schließlich machen flächendeckende Tests eine Schule auch sicherer, sagt Wagner. Er plädiert dafür, viel mehr zu testen, um so rechtzeitig neue Infektions-Hotspots zu erkennen. Von den von der Regierung angekündigten 15.000 Tests pro Tag sei man schließlich noch sehr weit entfernt.