Familien müssen in grenzüberschreitenden Fällen oft jahrelang auf die Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes warten. Eine entsprechende Missstandsfeststellung hat die Volksanwaltschaft beschlossen und übt dabei heftige Kritik am Familienministerium. Mehr als 30 derartige Fälle sind derzeit bei der Volksanwaltschaft anhängig.

Dabei handelt es sich überwiegend um in Österreich lebende Familien, bei denen ein Elternteil in einem anderen EU-Land lebt oder arbeitet. Betroffen sind aber auch in einem EU-Land lebende Familien, in denen ein Elternteil in Österreich arbeitet. "Wegen seltsamer Rechtsauslegung durch das Familienministerium, durch Ignorieren von Gerichtsurteilen und Verzögerungstaktiken aller Art müssen manche Eltern jahrelang auf die erste Kinderbetreuungsgeldüberweisung warten", kritisiert die Volksanwaltschaft.

Stellvertretend für andere wurde schon im Oktober 2019 in der ORF-Sendung "Bürgeranwalt" der Fall einer Österreicherin geschildert, die mit ihren Kindern in Wien lebt. Ihr Mann, der Vater ihrer Kinder, arbeitete an einer Universität in den Niederlanden. Für die am 8.1.2015 geborene Tochter beantragte sie zwei Monate später bei der Wiener Gebietskrankenkasse Kinderbetreuungsgeld. "Auf die Gewährung der Leistung bzw. auf eine bescheidmäßige Erledigung wartet die Beschwerdeführerin bis heute", heißt es in der vor vier Wochen beschlossenen Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft.

Für Volksanwalt Bernhard Achitz ist das untragbar: "Die Situation ist existenzbedrohend. Vor allem Alleinerzieherinnen, bei denen das Geld ohnehin knapp ist, wissen nicht, wie sie ohne das Kinderbetreuungsgeld überleben sollen. Das Familienministerium ignoriert nicht nur EU-Recht, sondern hat auch das Recht der Volksanwaltschaft auf Akteneinsicht lange ignoriert. Dieses Recht steht immerhin in der Verfassung." Dennoch habe das Ministerium erst gar keine, dann unvollständige Informationen geliefert. Für Achitz ist das "bewusste Irreführung".

Nach EU-Recht ist das Beschäftigungsland vorrangig für Familienleistungen zuständig. Wenn es dort für diese Familie aber keine dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld entsprechende Leistung gibt, dann ist wieder Österreich am Zug. Doch obwohl die Familie mehrfach Bestätigungen der niederländischen Behörden vorgelegt hat, dass es dort keine entsprechende Leistung gibt, erhält sie bis heute kein österreichisches Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt. Im Gegensatz zum Kindergeld hat die Familie die mit der österreichischen Familienbeihilfe vergleichbare Leistung aus den Niederlanden und auch die Differenz aus Österreich relativ rasch erhalten.

"Die für Behörden sicher schwierige zwischenstaatliche Prüfung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld darf nicht auf dem Rücken der Familien ausgetragen werden", sagt Achitz: "Deshalb sieht das EU-Recht vor, dass die Familien auch dann rasch ihr Geld erhalten, wenn die Zuständigkeitsprüfung länger dauert. Was die österreichischen Behörden hier tun, ist ein grobes Foul gegen EU-Recht und gegen die betroffenen Familien." Spätestens nach mehreren Monaten müssten die österreichischen Behörden das Kinderbetreuungsgeld bzw. den Unterschiedsbetrag zur ausländischen Leistung vorläufig trotzdem auszahlen, denn die Existenz der Familien müsse vorgehen, verlangt der Volksanwalt.

Außerdem habe das Familienministerium die Krankenkassen, die in seinem Auftrag das Kindergeld administrieren, ausdrücklich angewiesen, keinerlei Kontakt mit den ausländischen Behörden aufzunehmen, kritisiert Achitz. Die Volksanwaltschaft verlangt vom Familienministerium, diese "Missstände" umgehend zu beseitigen. "Die Verwaltung muss bürgerfreundlich und serviceorientiert handeln, statt Familien in existenzielle Krisen zu stürzen", fordert Achitz.