In den vergangenen 50 Jahren hat sich das alkoholspezifische Verhalten der Österreicherinnen und Österreicher sowie deren Einstellung zum Alkohol langsam, aber konsequent zum Positiven verändert. Zu diesem Ergebnis kamen die Autoren des "Handbuch Alkohol - Österreich", dessen 20. Ausgabe am Freitag in Wien präsentiert wurde. Dennoch: Bei jedem Siebenten ist der Alkoholkonsum gesundheitsgefährdend.

Von 15 auf 12 Liter pro Jahr

Doppelt so viele Männer wie Frauen weisen problematischen Alkoholkonsum auf, erklärte Julian Strizek (Kompetenzzentrum Sucht/Gesundheit Österreich GmbH). Grundsätzlich sei der Alkoholkonsum in der Bevölkerung aber deutlich zurückgegangen, berichtete "Handbuch"-Initiator und Autor Alfred Uhl, stellvertretender Abteilungsleiter des Kompetenzzentrums Sucht der Gesundheit Österreich GmbH: von jährlich 15 Liter auf zwölf Liter Reinalkohol pro Kopf seit den 70er-Jahren, durchschnittlich um 25 Prozent. Das würden gleich mehrere Indikatoren belegen: Regelmäßiger starker Alkoholkonsum in der Arbeitswelt ist zur Ausnahme geworden, Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit Alkohol sind seit den 60er-Jahren drastisch zurückgegangen. Dies weise darauf hin, dass Präventionsmaßnahmen und gesetzliche Änderungen sich erfolgreich ausgewirkt hätten. "Das Bewusstsein, dass Alkohol ein Problemstoff ist, ist in Österreich gestiegen", meinte Uhl.

Behandlung alkoholkranker Menschen geändert

Auch bei der Behandlung alkoholkranker Menschen hat sich viel getan. Während vor 50 Jahren noch stark moralisierende Konzepte dominierten, die einer radikalen Abstinenzorientierung verpflichtet waren, rückt man davon mittlerweile ab. So kann eine möglichst große Anzahl alkoholkranker Patienten möglichst frühzeitig zur Behandlung motiviert werden. Die Therapie ist heute deutlich patientenorientierter, zum Ziel der Abstinenz kam das Konzept der Konsumreduktion und "Schadensbegrenzung" bei Personen, die ihren problematischen Alkoholkonsum nicht in den Griff bekommen können. Im Idealfall werde zwar eine endgültige Genesung erzielt, doch stelle bereits eine deutliche Verbesserung von Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität ein berechtigtes Behandlungsziel dar, hieß es.

Wie bei anderen chronischen Erkrankungen sind auch nach Alkoholbehandlungen immer wieder Interventionen durch das Gesundheitssystem notwendig. In diesem Zusammenhang gewinnen integrierte Behandlungssysteme an Bedeutung. Dabei befassen sich zentrale Anlaufstellen mit den Patienten, erstellen für diese einen Behandlungsplan und weisen sie geeigneten Behandlungseinrichtungen zu. Gleichzeitig setzte sich die Erkenntnis durch, dass eine Alkoholabhängigkeit häufig als Ergebnis eines missglückten "Selbstbehandlungsversuchs" ("self medication") bei psychiatrischen oder psychosozialen Grundproblemen zu verstehen ist, erklärte Uhl.

Rückgang bei Kindern und Jugendlichen

Gerade bei Kindern und Jugendlichen gehe der Alkoholkonsum stetig zurück, zeigten sich die "Handbuch"-Autoren erfreut, und zwar generell in der westlichen Gesellschaft. Die Gründe dafür seien noch umstritten, meinte Strizek. "Es gibt dafür auch keine monokausale Erklärung, es kommt vor allem bei Burschen zu grundlegenden sozialen Änderungen." Für eine Substitution durch andere Suchtmittel gebe es derzeit keine Hinweise.

Immer noch ausständig sei hierzulande allerdings eine Vereinheitlichung des Jugendschutzes, sagte Uhl. Der sei immer noch Ländersache und weist trotz mancher Verbesserung nach wie vor deutliche Unterschiede auf. Es gab zwar immer wieder Bestrebungen, diese Bestimmungen zu vereinheitlichen, die aber bisher stets scheiterten, kritisierte Uhl: "Ich hoffe, dass da noch einiges passiert."

"Trinkdruck"

Zusätzlich widmete man sich im aktuellen Handbuch der Thematik des alkoholpolitischen Diskurses in Europa im Spannungsfeld zwischen restriktiven Kontrollansätzen - ausgehend vom europäischen Norden und der englischsprachigen Welt, beide historisch protestantisch geprägt - und dem Zugang des Alpenbereichs und Südeuropas. In letzteren Gebieten katholischer Prägung wird moderater Alkoholkonsum neutral bis positiv bewertet und in Verbindung mit Genuss und Lebensqualität gesetzt. Seit es im Zuge der Integration Europas immer schwieriger wird, eine eigenständige Alkoholpolitik durchzusetzen, nehmen beiderseits die Bestrebungen zu, ganz Europa von den Vorzügen des traditionellen eigenen Zugangs zu überzeugen.

Auch in Österreich gebe es in Richtung einer differenzierten Sichtweise noch genug zu tun, meinte Uhl. "Der Trinkdruck muss reduziert werden." "Es muss mehr auf psychische Erkrankungen eingegangen werden", ergänzte Strizek. Die integrierte Versorgung müsse ausgebaut, "die Menschen nicht sich selbst überlassen" werden.