Ein Schwurgericht (Vorsitz: Sonja Weis) verhängte über den bisher Unbescholtenen eine zehnjährige Freiheitsstrafe.

Wie Gerichtssprecherin Christina Salzborn mitteilte, ist das Urteil nicht rechtskräftig. Der gebürtige Serbe erbat Bedenkzeit, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.

Elf Schüsse abgegeben

Die Geschworenen schenkten der Verantwortung des Angeklagten mehrheitlich keinen Glauben, der sich mit Notwehr verantwortet hatte. Der Mann, der zuletzt als Security-Mitarbeiter in einem Nachtclub beschäftigt gewesen war, hatte mit einer Pistole insgesamt elf Schüsse abgegeben. Sein Gegner wurde vier Mal getroffen. Die Faustfeuerwaffe war in dem Nachtclub einige Wochen vorher einem Gast abgenommen worden, der 21-Jährige hatte sie sich zugeeignet - "aus Dummheit", wie er das Gericht Glauben machen wollte.

Der groß gewachsene, durchtrainiert wirkende Angeklagte, der in seiner Freizeit Kampfsport betreibt, war mit dem Auto seiner Großmutter unterwegs, nachdem er in deren Wohnung die Blumen gegossen hatte. Danach hatte er sich mit einem Bekannten auf ein Eis getroffen. Als er diesen heimbringen wollte, bemerkte er im Rückspiegel, dass er dem ihm folgenden Fahrzeug offenbar zu langsam unterwegs war. Dessen Lenker hupte mehrfach, fuhr wiederholt knapp auf, ließ auch die Lichthupe aufleuchten.

Situation eskalierte

An der Kreuzung Leibnizgasse - Davidgasse eskalierte die Situation, als die beiden Fahrzeuge bei Rotlicht Spur an Spur nebeneinander zu stehen kamen. Beide Lenker stiegen aus, wobei der 21-Jährige unvermutet die Pistole auf den anderen Mann richtete und feuerte.

Der erste Schuss traf seinen Kontrahenten - einen 27 Jahre alten Mann tschetschenischer Abstammung - am linken Unterschenkel, der zweite am linken Oberschenkel. Der Angeschossene wollte sich nach einem weiteren Treffer in sein Auto retten, worauf ihm der 21-Jährige noch einen Schuss ins Gesäß verpasste. Dieses Projektil durchschlug den Darm, was den 27-Jährigen fast das Leben kostete. Er musste drei Wochen im Spital verbringen, eine Woche wurde er intensivmedizinisch behandelt.

Der Angeklagte hatte die Waffe auch noch auf den Beifahrer des 27-Jährigen gerichtet, der ebenfalls ausgestiegen war. Dieser konnte sich rechtzeitig hinter dem Pkw in Deckung bringen, so dass die Kugeln nur den Lack des Fahrzeugs beschädigten.

Der Schütze behauptete in seiner Beschuldigteneinvernahme, er habe schon im Rückspiegel wahrgenommen, wie der andere Autofahrer ihm mit Halsabschneid-Bewegungen drohte. Er habe "damit gerechnet, dass sie mir hinten reinfahren. Ich habe Angst gehabt". An der Kreuzung sei der andere Lenker aus seinem Pkw gesprungen und habe ihn wutschnaubend angesteuert. Da sei er "in Panik geraten" und habe ebenfalls das Fahrzeug verlassen, wobei er sich mit der im großmütterlichen Auto befindlichen Pistole bewaffnete, wie der Angeklagte ausführte. Sein Gegenüber habe nämlich "tschetschenisch ausgeschaut", er selbst habe damals unter Knieproblemen und einem beim Boxtraining gebrochenen Mittelhandknochen gelitten.

Der Tschetschene sei mit den Worten "Ich bring dich um, ich bring dich um" auf ihn losgegangen: "Er hat auch etwas in der Hand gehalten, was wie eine Waffe ausgeschaut hat." Er habe darauf seine Waffe gehoben und "Stehenbleiben oder ich schieße" gerufen, was den Kontrahenten nicht beeindruckt hätte. Da habe er "auf den Boden gezielt" und abgedrückt: "Direkt auf seinen Körper habe ich nie gezielt."

Der 21-Jährige behauptete weiters, er habe gar nicht bemerkt, dass der 27-Jährige mehrfach getroffen wurde und stark blutete. Auf die Frage der Richterin, wie er sich die Treffer erkläre, wenn er ausschließlich Richtung Boden gefeuert hätte, erwiderte der Mann: "Kann sein, dass ich die Waffe verzogen habe. Mein Mittelhandknochen war ja gebrochen. Ich habe die Waffe nicht richtig halten können."

Angehupt

Dem widersprachen der Angeschossene und zwei unbeteiligte Zeugen. Der 27 Jahre alte Tschetschene räumte ein, er habe sich über den langsam vor ihm fahrenden Pkw-Lenker geärgert und diesen angehupt. Bedroht habe er diesen aber zu keinem Zeitpunkt, schon gar nicht sei er bewaffnet gewesen.

Vielmehr habe ihm der 21-Jährige an der Kreuzung bei geöffnetem Seitenfenster "Komm raus" zugerufen. Dieser Aufforderung sei er nachgekommen. Da habe der andere schon die Schusswaffe auf ihn gerichtet: "Ich hab' gedacht, er macht Spaß. Dann hat er angefangen zu schießen."

Nacheinander zählte der 27-Jährige die erlittenen Treffer auf, wobei er die Narben teilweise dem Gericht präsentierte, indem er sich das linke Hosenbein hochkrempelte und auf den Durchschuss am Unterschenkel verwies. Auf die Verantwortung des Angeklagten angesprochen, bemerkte er: "Wie soll ich ihm Angst machen, wenn er gleich mit einer Waffe vor mir steht? Es war kein Streit."

Ein Ehepaar, das zufällig Zeuge der Schießerei wurde, bestätigte, beim Angeschossenen keine Waffe gesehen zu haben. Dieser habe dem Angeklagten zwar lautstark etwas zugerufen, dabei aber nicht sonderlich bedrohlich gewirkt. Nach den Schüssen sei Panik ausgebrochen, im Tatortbereich aufhältige Kinder hätten zu weinen begonnen, Passanten wären Hals über Kopf davongelaufen bzw. in Deckung gegangen.