Ein 37-jähriger Mazedonier, der am 23. Juli 2017 seiner Ex-Freundin vor ihrer Wohnung in Wien-Mariahilf aufgelauert und ihr mit einem Klappmesser 14 Schnitt- und Stichverletzungen zugefügt hatte, ist am Donnerstag am Landesgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Verteidiger Nikolaus Rast und Mirsad Musliu meldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.
"Es grenzt an ein medizinisches Wunder, dass das Opfer die Attacke überlebt hat", stellte die vorsitzende Richterin Sonja Weis in der Urteilsbegründung fest. Die lebensbedrohlich Verletzte habe "viele Monate auf der Intensivstation verbracht" und obendrein ihr Kind in der siebenten Schwangerschaftswoche aufgrund entzündlicher Veränderungen im Bauchraum verloren.
"Die einzig angemessene Sanktion dafür ist die Höchststrafe", betonte die Richterin unter Verweis auf den einstimmigen Schuldspruch der Geschworenen wegen Mordversuchs und Schwangerschaftsabbruchs. Erschwerend wurden bei der Strafbemessung die besonders grausame und heimtückische Begehungsweise, der Umstand, dass der Mann weiter auf das bereits wehrlos am Boden liegende Opfer eingestochen hatte, und die Folgen der Tat gewertet. "Das Opfer ist für sein Leben gezeichnet", stellte die Richterin fest.
"Ich habe kein Leben mehr"
"Er hat mein ganzes Leben kaputt gemacht. Ich habe kein Leben mehr", hatte die Frau zuvor als Zeugin erklärt, wobei sie im Weg einer Videokonferenz vernommen wurde. Die 32-Jährige ist aufgrund der Bluttat ein Pflegefall, lebt nun bei ihrer Schwester, die sie rund um die Uhr betreut, und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Ein persönliches Erscheinen bei Gericht wäre für die Frau zu beschwerlich gewesen.
Das, was sie mitmachen musste, wünsche sie niemandem, hielt die Zeugin fest: "Ich habe das nicht verdient. Ich war immer ein guter Mensch." Unter Ausschluss der Öffentlichkeit zeigte sie dem Gericht auch ihre Narben im Bauchbereich, wobei sie ausdrücklich die Anwesenheit des Angeklagten wünschte, der ihren entstellten Körper zu Gesicht bekommen sollte.
Die Frau schilderte, wie sie in der Früh gegen 6.00 Uhr von ihrer Schicht als Kellnerin nach Hause kam und ihren früheren Partner wahrnahm, der schnellen Schrittes auf sie und ihren nunmehrigen Lebensgefährten zugekommen sei: "Als ich ihn gesehen habe, hab' ich so eine Vorahnung gehabt, dass etwas passieren wird." Sie habe ihren Ex beruhigen wollen: "Ich habe ihm gesagt, dass wir über alles reden können." Dieser habe jedoch gleich zu einem Pfefferspray gegriffen und ihr und ihrem Begleiter in die Augen gesprüht.
Weil sie nichts mehr sah, habe sie um Hilfe gerufen. Während ihr Freund Reißaus nahm, habe sie der Angeklagte zu Boden gebracht: "Als ich am Boden war und geschrien habe, dass ich schwanger bin, hat er auf mich eingestochen." Sie habe "Stiche im Bauch" gespürt: "Ich weiß es nicht, wie oft. Er hat nicht aufgehört." Nach einer kurzen Pause setzte die 32-Jährige nach: "Ich habe meinen Darm am Gehweg gesehen." Beim Eintreffen der Rettungskräfte sei sie noch bei Bewusstsein gewesen.
Wie Gerichtsmediziner Wolfgang Denk erläuterte, hätte das Opfer die Bluttat ohne außergewöhnlich rasche intensivmedizinische Hilfe nicht überlebt. Einer der 14 Stiche war in die Herzgegend gegangen, eine Schnittwunde im Bauchbereich war zehn Zentimeter lang, was den Austritt von Darmschlingen bewirkte. Die Klinge des Messers durchtrennte außerdem die Rückenmuskulatur. Die Leber trug eine Stichläsion davon, die Gallenblase wurde durchtrennt. Der 32-Jährigen musste in weiterer Folge der Dickdarm zur Gänze operativ entfernt werden, der Dünndarm, der Magen und die Milz wurden massiv beschädigt. Die Nieren haben ihre Funktionsfähigkeit komplett eingebüßt, so dass die Frau jeden zweiten Tag einer Dialyse bedarf. Bei ihrer Entlassung aus dem Spital wog die Frau 35 Kilogramm.
Trennung nicht verkraftet
Der Mazedonier soll schon während der Beziehung gewalttätig gewesen sein und die Frau 2015 grün und blau geschlagen haben. Die Trennung verkraftete er nicht. Nach dem Verbrechen war er ins Ausland geflüchtet, konnte jedoch am griechisch-türkischen Grenzübergang Kipi festgenommen werden. Beim Prozessauftakt am vergangenen Dienstag hatte er erklärt, es sei ein Fehler gewesen, auf seine Ex-Freundin einzustechen. Er könne sich die Tat nicht erklären: "Das war ein Moment." Töten habe er die Frau nicht wollen.