Am Donnerstag ist am Wiener Landesgericht der Prozess gegen einen 37-Jährigen fortgesetzt worden, der im Sommer 2017 auf seine schwangere Ex-Freundin eingestochen hatte. Die Frau wurde lebensgefährlich verletzt, verlor ihr Kind und ist seither ein Pflegefall. Nun wurde die 32-Jährige in Form einer Videokonferenz - die Anreise zur Verhandlung wäre zu beschwerlich gewesen - als Zeugin befragt.
Pfefferspray für Begleiter
Die Frau schilderte, wie sie am 23. Juli 2017 ihren früheren Partner wahrnahm, als dieser schnellen Schrittes auf sie und ihren nunmehrigen Lebensgefährten zukam: "Als ich ihn gesehen habe, hab' ich so eine Vorahnung gehabt, dass etwas passieren wird." Sie habe ihren Ex beruhigen wollen: "Ich habe ihm gesagt, dass wir über alles reden können." Dieser habe jedoch gleich zu einem Pfefferspray gegriffen und ihr und ihrem Begleiter in die Augen gesprüht. Weil sie nichts mehr sah, habe sie um Hilfe gerufen. Während ihr Freund Reißaus nahm, habe sie der Angeklagte zu Boden gebracht.
"Als ich am Boden war und geschrien habe, dass ich schwanger bin, hat er auf mich eingestochen", schilderte die Zeugin das weitere Geschehen. Sie habe "Stiche im Bauch" gespürt: "Ich weiß es nicht, wie oft. Er hat nicht aufgehört." Nach einer kurzen Pause setzte die 32-Jährige nach: "Ich habe meinen Darm am Gehweg gesehen." Beim Eintreffen der Rettungskräfte sei sie noch bei Bewusstsein gewesen.
Kind starb
Dass die Frau die insgesamt 14 Stichverletzungen überlebt hat, grenzt an ein medizinisches Wunder. Die Ärzte stellten eine Stichläsion der Leber fest, die Gallenblase wurde durchtrennt. Zwei Wochen nach der Gewalttat verlor die Schwangere ihr Kind. Fast ein Jahr verbrachte die Frau auf der Intensivstation. Laut Staatsanwältin Angelika Fichtinger wurde sie mit einem Körpergewicht von 35 Kilogramm entlassen. Sie lebt inzwischen bei ihrer Schwester, die sich um die auf den Rollstuhl angewiesene Frau kümmert. Die 32-Jährige hat einen künstlichen Darmausgang, muss drei Mal pro Woche zur Dialyse und kann ihre Hände kaum mehr gebrauchen.
Aus ihren ausdrücklichen Wunsch wollte sie am Ende ihrer Befragung dem Gericht ihren von den zahlreichen Narben entstellten Körper zeigen. Zu diesem Zweck wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
Der aus Mazedonien stammende Angeklagte war nach dem Verbrechen ins Ausland geflüchtet, konnte jedoch am griechisch-türkischen Grenzübergang Kipi festgenommen werden. Beim Prozessauftakt am vergangenen Dienstag hatte er einem Schwurgericht (Vorsitz: Sonja Weis) erklärt, es sei ein Fehler gewesen, auf seine Ex-Freundin einzustechen. Er könne sich die Tat nicht erklären. Töten habe er die Frau nicht wollen. Mit dem Urteil war am späten Nachmittag zu rechnen. Die Anklage lautet auf versuchten Mord.