Peter Höller, gerichtlich beeideter Lawinenexperte vom Institut für Naturgefahren am Bundesforschungszentrum für Wald, sieht im Zusammenhang mit Lawinenunglücken im freien Skiraum keinen "Trend zur Unvernünftigkeit". Denn gemessen an der Zahl derer, die heutzutage im freien Skiraum unterwegs sind, passieren - relativ gesehen - weniger Unfälle als vor 20 Jahren, erklärte Höller im APA-Gespräch.

"Nach Schätzungen (genaue Zählungen gibt es nicht, Anm.) gehen wir von rund 700.000 Tourengehern aus, die jährlich in Österreichs Bergen unterwegs sind", erläuterte Höller. Die Unfallzahlen bleiben aber seit Jahren - mit Ausreißern nach oben und unten - im Durchschnitt auf in etwa gleichem Niveau, so der Experte: "Das heißt, obwohl jetzt mehr als doppelt so viele Menschen im freien Skiraum unterwegs sind als vor zwanzig Jahren, passieren dennoch nicht mehr Lawinenunglücke."

Ob die Zahl der Todesopfer in einer Saison höher oder geringer ist, hänge vielmehr von den Schneeverhältnissen ab. So gebe es etwa das Phänomen, dass manchmal in schneearmen Wintern mehr Todesopfer zu beklagen seien als in schneereichen, erklärte Höller: "Denn wenn sich im Frühwinter eine Schwachschicht in der Schneedecke bildet, die zudem auch noch schwer zu erkennen ist, kann diese die gesamte Saison über ein Problem darstellen." Auf der anderen Seite könnten gerade in schneereichen Wintern weniger Todesopfer zu verzeichnen sein, wenn der im Frühwinter gefallene Schnee sich setzt und ein gutes Fundament bildet.

Dass wiederholt Wintersportler bei ungünstigen Verhältnissen abseits der Piste unterwegs sind, könne selbst durch die beste Aufklärungskampagne nicht verhindert werden, sagte der Experte: "Das ist wie beim Autofahren, auch dort wird es immer wieder Menschen geben, die sich betrunken hinter das Steuer setzen." Der Vergleich mit dem Autofahren sei insgesamt treffend, meinte Höller: "Denn auch im Straßenverkehr sind viel mehr Menschen unterwegs als vor zwanzig Jahren. Dennoch passieren relativ gesehen weniger Unfälle - das heißt: es ist insgesamt sicherer geworden."

Aufklärung als einzige Möglichkeit

Dass die Zahl der Todesopfer, die durch Lawinen im freien Skiraum ums Leben kommen, im Verhältnis zu den Toten durch Katastrophenlawinen zugenommen habe, liege daran, dass im Bereich der Schutzbauten- und maßnahmen einiges erreicht wurde. Im Zeitraum von 1947 bis 1980 starben noch 41 Prozent aller Toten durch Katastrophenlawinen, in der Spanne von 1981 bis 2016 waren es nur noch neun Prozent.

"Aus den Zahlen ist jedenfalls kein Trend abzulesen", resümierte Höller. Dass es immer wieder Leute gibt, die ein größeres Risiko eingehen, gebe es in beinahe allen Lebensbereichen. Die einzige Möglichkeit bestehe daher in der Aufklärung, obwohl dadurch auch nicht alle zu erreichen sein werden, gab der Experte zu bedenken.