Am Landesgericht für Strafsachen in Wien ist am Mittwoch der Prozess um den Tod eines Viereinhalbjährigen abgeschlossen worden, der am 26. April 2018 in Wien-Donaustadt aus dem Fenster einer im siebenten Stock gelegenen Wohnung gestürzt war. Die Anklage legt dem leiblichen Vater und der Stiefmutter gröbliche Vernachlässigung zur Last.

Beide kamen mit Bewährungsstrafen noch glimpflich davon. Ein Schöffensenat verhängte am Mittwoch am Landesgericht über den 28-Jährigen eineinhalb Jahre, über seine gleichaltrige Ex-Partnerin ein Jahr bedingt.

Entgegen der Anklage, die dem Paar gröbliche Vernachlässigung im Sinne des §92 Absatz 3 StGB zur Last gelegt hatte, wurden die beiden wegen grob fahrlässiger Tötung (§81 StGB) schuldig erkannt. Das hatte hinsichtlich des Strafrahmens entscheidende Bedeutung. Wäre der Senat (Vorsitz: Nicole Baczak) der Staatsanwaltschaft gefolgt, hätten die Angeklagten mit einer Strafe zwischen einem und zehn Jahren rechnen müssen. Auf das vom Gericht angenommene Delikt sieht das Gesetz dagegen maximal drei Jahre Haft vor.

Urteile nicht rechtskräftig

Die über den Vater und die Stiefmutter des ums Leben gekommenen Buben verhängten Urteile sind nicht rechtskräftig. Während die beiden die Strafen akzeptierten, meldete Staatsanwältin Julia Kalmar Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Richterin Nicole Baczak bezeichnete in ihrer Urteilsbegründung die Wahrheitsfindung im gegenständlichen Verfahren als eine "moralisch und rechtlich gesehen große Herausforderung". Am Ende des Beweisverfahrens habe sich kein Hinweis gefunden, dass die Angeklagten den Tod des Buben "sehenden Auges" in Kauf genommen hätten. Sie hätten jedoch "Fehlentscheidungen getroffen".

Der Vater wurde am Ende schuldig gesprochen, weil er den gerichtlichen Feststellungen zufolge das Fenster im Kinderzimmer zum Lüften "sperrangelweit" (Richterin) geöffnet und über einen Zeitraum von mehreren Stunden in diesem Zustand belassen hatte. Zudem habe er "keine Sicherheitsmaßnahmen getroffen", monierte die Richterin.

Der Schöffensenat ging davon aus, dass der Viereinhalbjährige in weiterer Folge über einen unter dem Fenster befindlichen Drehsessel auf das Fensterbrett geklettert war, zunächst Spielzeug und den abmontierten Fenstergriff in die Tiefe warf und dann hinterhersprang. Die Stiefmutter wurde deshalb verurteilt, weil sie laut erstinstanzlichem Urteil den quengelnden Buben ins Kinderzimmer geschickt hatte, obwohl sie wusste, dass das Fenster offen stand.

"Es wird nie eine gerechte Strafe dafür geben, dass Eltern ihr Kind verlieren", hielt die Richterin abschließend fest. Während die Stiefmutter bereits während der Urteilsverkündung schluchzte, zeigte sich der Vater nach der Verhandlung sichtlich emotional bewegt. Im Gerichtssaal hatte der 28-Jährige noch Fassung bewahrt, nachdem er diesen verlassen hatte, ging er am Gang in die Knie und vergrub sein Gesicht in beiden Händen

Nur Stiefmutter geständig

Während die Frau sich beim Prozessauftakt Mitte November geständig gezeigt hatte, fühlte sich der Vater "nicht schuldig". Als Zeuge wurde am zweiten Verhandlungstag ein Polizist vernommen, der den Mann unmittelbar nach dem Unglück informell befragt hatte. Während die Stiefmutter "geheult" hätte, habe der 28-Jährige "eher gefasst" gewirkt, berichtete der Polizist dem Schöffensenat (Vorsitz: Nicole Baczak). Weiters schilderte der Beamte, das Fenster im Kinderzimmer sei offen gestanden - dazu befragt, habe der Vater angegeben, es habe "wegen des Geruchs" gelüftet werden müssen.

Im Haushalt des Paares, das sich mittlerweile getrennt hat, lebten neben dem ums Leben gekommenen Buben und einer zum Unglückszeitpunkt 18 Monate alten gemeinsamen Tochter der beiden zwei Hunde und zwei Katzen. Der Fenstergriff sei außerdem "komplett abmontiert" gewesen und seiner Erinnerung zufolge frei zugänglich herumgelegen, sagte der Polizist. Direkt unter dem Fenster sei ein Sessel gestanden: "Das war alles grob fahrlässig, weil das Kind da leicht raufklettern kann."