Die offene Benachteiligung von LSBTI-Menschen mit einer Verweigerung von Vorrückungen oder Benachteiligung bei Dienstplänen gibt es zwar, ist aber seltener. Viel häufiger sind es ein Getuschel am Gang, Gerüchte oder unangenehme obszöne Witze, die das Leben am Arbeitsplatz beeinträchtigen.

Daniel Schönherr und Martina Zandonella von Sora haben im Auftrag von Arbeiterkammer und ÖGB Menschen, die sich selber als Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender, Intersexuell (LSBTI) oder anders orientiert einstufen, über ihre Erfahrungen am Arbeitsplatz befragt. 1.268 Antworten wurden berücksichtigt. Schätzungen zufolge gibt es in Österreich 200.000 bis 300.000 Beschäftigte, die mindestens einer der Kategorien der Abkürzung "LSBTI" angehören. Da es keine echte Zufallsstichprobe war, ist die Umfrage im statistischen Sinne nicht repräsentativ und dürfe nicht verallgemeinert werden, schränken die Studienautoren ein.

Dennoch zeichnen sich einige Tendenzen ab. Nur wenige von der heterosexuellen Norm abweichende Menschen zweifeln an der rechtlichen Gleichstellung (z.B. bei Pflegeurlaub, Dienstfreistellungen, betrieblichen Sozialleistungen). Die meisten LSBTI-Befragten schätzen auch die allgemeine Einstellung in ihrem Unternehmen zunächst grundsätzlich positiv ein.

Tägliche Praxis sieht nicht gut aus

Aber in der täglichen Praxis sieht es nicht mehr so gut aus. So sagte rund ein Fünftel der Befragten, dass in ihren Betrieben Gratulationen bei Eheschließungen, Geburten oder der Übernahme von Pflegekindern nur bei heterosexuellen Mitarbeitern üblich seien. 60 Prozent waren schon von Gerüchten, obszönen Witzen oder Ausgrenzung betroffen. Ein Drittel wurde durch Nachäffen lächerlich gemacht.

Aber auch handfeste Nachteile wie den Ausschluss von der Kommunikation, Ausgrenzung oder unsachgemäße Kritik an ihrer Arbeit haben bis zu einem Drittel der Umfrageteilnehmer zumindest schon einmal an der Arbeitsstelle erlebt. Rund ein Viertel musste Beschimpfungen und Beleidigungen bis hin zu Mobbing, Psychoterror, Drohungen und Erpressungen über sich ergehen lassen oder hat negative Erfahrungen bei der Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen wie Sanitärräumen oder Garderoben gemacht. 30 Prozent berichten von fehlender Wertschätzung oder einer Schlechterstellung bei Beförderungen, Diensteinteilungen, Urlaubsgenehmigungen oder der Übertragung von Arbeitsaufgaben.

Unter Arbeitern mehr Probleme

Innerhalb der LSBTI-Gruppe gibt es zugleich deutliche Differenzierungen. Einerseits zeigt die Umfrage, dass unter Arbeitern die Probleme größer sind. Diskriminierung ist häufiger und intensiver, ein größerer Anteil outet sich nicht, weil dadurch Nachteile befürchtet werden. Unter Angestellten ist die Lage einfacher. Es gibt aber auch im öffentlichen Sektor Probleme, insbesondere in männlich dominierten Bereichen wie der Polizei, dem Militär oder der Müllabfuhr. Im Lehrberuf wiederum dürften es Eltern sein, die nicht entspannt sind, wenn LSBTI-Personen ihre Kinder unterrichten.

Andererseits erleben Transgender-Personen, die als Mann bzw. Frau geboren wurden aber als Frau bzw. Mann leben, sich aber dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, ebenso wie Befragte mit keiner eindeutigen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, mehr Diskriminierung als Homosexuelle und Lesben. Rund die Hälfte aller transsexuellen Personen hat Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebt, rund drei Viertel wurden von Kollegen/Kolleginnen und/oder Vorgesetzten mit Witzen, Imitieren, unangenehmen sexuellen Anspielungen und dergleichen konfrontiert, und ein Viertel wurde schon mindestens einmal gemobbt. Besonders häufig betroffen sind transsexuelle Personen mit Migrationshintergrund und Arbeiter/Arbeiterinnen.

Mehr als jede dritte Transsexuelle Person hat aufgrund der Geschlechtsidentität schon einmal einen Job nicht bekommen, 26 Prozent sind gekündigt worden, und 41 Prozent haben selbst schon einmal einen Job gekündigt, weil die Situation an der damaligen Arbeitsstätte für sie zu belastend war.

Outing als heikles Thema

Ein heikles Thema ist das Outing, also die Bekanntgabe der nicht der Norm entsprechenden sexuellen Orientierung. Sechs von zehn Befragten reden zwar auf Nachfrage darüber, sprechen es aber nicht offensiv an. Ein knappes Viertel spricht am Arbeitsplatz bewusst über die sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidentität. Jeweils 9 Prozent halten das Thema völlig geheim oder lassen die Kollegenschaft in einem falschen Glauben. Letztlich wissen bei zwei Drittel der LSBTI-Erwerbstätigen zumindest die meisten Kollegen über ihre Orientierung Bescheid. Gegenüber Kunden gilt hingegen eine deutlich größere Zurückhaltung.

Gut die Hälfte der von Diskriminierung am Arbeitsplatz Betroffenen fühlt sich zwar gestört, ignoriert das aber. Ein Drittel geht in die Offensive und wehrt sich. Juristisch dagegen vorgehen wollen aber nur ein bis drei Prozent. Auch an innerbetriebliche Vertrauenspersonen, etwa die Arbeiterkammer wenden sich nur wenige, bei harter Diskriminierung oder Mobbing sind es maximal sieben Prozent.

Zur Unterstützung halten LSBTI-Personen laut Umfrage vor allem klare Ansagen der Unternehmensleitung, dass Diskriminierung im Unternehmen keinen Platz hat, für hilfreich, um ihre Situation zu verbessern (88 Prozent Zustimmung). Besonders positiv wirkt es sich aus, wenn sich die Chefs selber outen. Dahinter kommen Firmenleitlinien für den Umgang mit LSBTI-Themen und themenspezifische Weiterbildung für Führungskräfte. Symbolische Maßnahmen wie Regenbogenfahnen und Poster findet nicht einmal die Hälfte hilfreich.