Einrichtungen für die Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen, die zum Beispiel wegen Gewalt oder Vernachlässigung in der Familie nicht zuhause wohnen können, sollen künftig über ein sexualpädagogisches Konzept verfügen müssen. Damit sollen sexuelle Übergriffe besser verhindert werden, sagte Volksanwalt Günther Kräuter bei einer Pressekonferenz in Wien.
"Häufig sind in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe traumatisierte Minderjährige untergebracht, die bereits in ihren Herkunftsfamilien Missbrauch erleiden mussten", sagte Kräuter. Den Betreuern seien die Probleme meist bewusst. Oft fehlten aber Strategien und die baulichen Gegebenheiten, um sexuellen Grenzverletzungen vorzubeugen bzw. diese rasch zu erkennen und gegenzusteuern. Auch Personalmangel sei ein Faktor.
Risiken bestehen
"In einem guten Teil der Einrichtungen kommt es zu jedenfalls problematischen Situationen", beschrieb Kräuter seine Erfahrungen aus der Prüftätigkeit der Volksanwaltschaft. Seiner Meinung nach bestehen "in vielen Einrichtungen und Wohngemeinschaften solche Risiken". Es komme "immer wieder" vor, dass übergriffige Kinder und Jugendliche nicht getrennt und keine ausreichenden Schutzmaßnahmen getroffen werden. Laut einem Sonderbericht aus dem Jahr 2017 (Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen) lebten 2016 bundesweit 8.423 Minderjährige in sozialpädagogischen Einrichtungen.
Ein sexualpädagogisches Konzept müssen die Betreiber derzeit nur in Wien, Niederösterreich und Tirol vorlegen. Der Volksanwalt fordert dies als Voraussetzung für eine Bewilligung in allen Bundesländern. Diese sollen für die Finanzierung aufkommen. Die Umsetzung müsse laufend überprüft und das Personal verpflichtend geschult werden. "Kinder und Jugendliche in Betreuung haben ein Recht auf Schutz - bundesweit und nicht als Stückwerk", sprach sich Kräuter für eine einheitliche Regelung und allgemein gegen den Plan der Bundesregierung aus, die Fürsorge in die Hand der Länder zu geben.
Sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen
Einfühlsame Beziehungs- und Sexualkonzepte sollten überdies in allen Einrichtungen Platz haben, verwies der Volksanwalt auf das Recht der sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen. Diese würden fälschlich oft als "geschlechtsneutral" gesehen. Gleichzeitig seien vor allem Frauen und Mädchen mit Behinderung besonders häufig sexueller Gewalt ausgesetzt.
Das Zentrum für Sexuelle Bildung, Kommunikations- und Gesundheitsförderung liebenslust* ist eine Institution, die in der Praxis Hilfe offeriert. "Aktuell begleiten wir 14 Einrichtungen bei der Erstellung und Umsetzung ihrer sexualpädagogischen Konzepte", sagte Geschäftsführerin Heidi Fuchs. Die Nachfrage steige stetig. Ihr Team stelle "Tools zur Verfügung, damit es erst gar nicht zu gewalttätigen Strukturen kommt", betonte Obfrau Michaela Urabl.