Wer es wirklich eilig hat, soll mit dem Zug fahren“, kritisiert der ehemalige Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) das Pilotprojekt seines Nachfolgers Norbert Hofer (FPÖ) – Tempo 140 auf zwei Teilstrecken der Westautobahn. Auf 44 Kilometern zwischen Melk und Oed in Niederösterreich und 32 Kilometern zwischen Haid und Sattledt in Oberösterreich dürfen Autofahrer ab sofort stärker aufs Gaspedal treten. Wobei das kurioserweise vom jeweiligen Bundesland abhängig ist. Denn in Oberösterreich darf schneller als in Niederösterreich gefahren werden.

Grund dafür sind die unterschiedlichen Messtoleranzen, die die jeweiligen Polizei-Verkehrsabteilungen festgelegt haben. Bei Radargeräten werden bei Geschwindigkeiten über 100 km/h fünf Prozent und darunter fünf km/h abgezogen, erklärt Willy Konrath, stellvertretender Leiter der Landesverkehrsabteilung Niederösterreich, das für das Bundesland übliche Prozedere. Das entspricht bei erlaubten 140 km/h dann Tempo 147. Bei Messungen mit Laserpistole ist die Toleranz geringer, sie beträgt drei Prozent, was Tempo 144,2 und eine Strafe ab 145 km/h ergibt.

Tempo-140-Teststrecken gehen auf der A1 in Betrieb


Toleranter ist man in Oberösterreich mit einer Messtoleranz von zehn Prozent. Was heißt: Zwischen Haid und Sattledt kann man sogar mit Geschwindigkeiten von knapp unter 159 km/h straflos davonkommen.

Doch nicht nur das rief nach Bekanntwerden zahlreiche Kritiker auf den Plan. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum es je nach Bundesland verschiedene Toleranzgrenzen gibt. Was es braucht, ist Rechtssicherheit“, betont beispielsweise Douglas Hoyos, Verkehrssprecher der Neos. Auch die errechnete Zeitersparnis bei Tempo 140 hält sich laut Verkehrsexperten in Grenzen: 88 Sekunden sollen es demnach auf dem längeren Teststück, nur 28 Sekunden auf dem kürzeren sein.



Deutlich länger wird jedoch der Bremsweg, zeigt eine Berechnung des ÖAMTC: Er verlängert sich schon auf trockener Straße von 101,3 (Tempo 130) auf 114,5 Meter (Tempo 140). Bei Tempo 159, erst hier schießen ja die oberösterreichischen Radargeräte ein Foto, benötigt ein Autofahrer theoretisch 141,70 Meter, um seinen Wagen zu stoppen, erklärt David Nosé. „Damit steigt die Unfallgefahr und es werden deutlich mehr gesundheitsgefährdende Luftschadstoffe ausgestoßen“, kritisiert auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes werden bei einem Auto im Durchschnitt um 16,4 Prozent mehr Stickstoffoxide ausgestoßen und um 18,6 Prozent mehr Feinstaub.

Die genauen Messwerte für das Projekt werden nun ein Jahr lang von der Asfinag erhoben. Sind Luft- und Lärmwerte in Ordnung und bleibt die Verkehrssicherheit gegeben, könnte Tempo 140 bald auch auf anderen Autobahnstücken gelten.