Im Prozess um die versuchte Vergewaltigung einer jungen Studentin am heurigen Donauinselfest ist es am Ende des ersten Verhandlungstags zu einer Überraschung gekommen. Der Senat gab am Dienstag im Wiener Landesgericht einem Enthaftungsantrag von Verteidigerin Alexandra Stuefer Folge, der Angeklagte - ein 19 Jahre alter Afghane - wurde gegen gelindere Mittel auf freien Fuß gesetzt.
Der Senat geht zwar weiter von dringendem Tatverdacht in Richtung versuchter Vergewaltigung und geschlechtlicher Nötigung aus. Bei einem unbescholtenen Angeklagten in fast noch jugendlichem Alter sei aber nach sechswöchiger U-Haft nicht zwangsläufig anzunehmen, dass dieser erneut strafbare Handlungen begehen wird, so dass in Verbindung mit speziellen Weisungen die U-Haft aufgehoben werden könne, erläuterte Richter Norbert Gerstberger. Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Staatsanwältin Anja Oberkofler behielt sich dagegen Rechtsmittel vor.
Der Angeklagte muss sich nun wöchentlich bei Gericht melden und ehebaldigst eine Wohnanschrift und eine Beschäftigung nachweisen. Zudem wurde vorläufige Bewährungshilfe angeordnet. Außerdem soll ein psychiatrisches Gutachten eingeholt werden, um abzuklären, ob bei dem 19-Jährigen überhaupt Zurechnungsfähigkeit gegeben ist. In den jugendgerichtlichen Erhebungen finden sich Hinweise auf eine verzögerte sexuelle Reife des Afghanen.
Auf unbestimmte Zeit vertagt
Die Verhandlung selbst wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Die Betroffene - eine gebürtige Slowakin - war nicht bei Gericht erschienen. Sie soll nun im Rechtshilfeweg kontaktiert und - allenfalls in Form einer Videokonferenz - als Zeugin vernommen werden.
Die Staatsanwältin wirft dem Afghanen vor, am 24. Juni gegen 23.00 Uhr vor einer Bühne mit einer Gruppe männlicher Jugendlicher das spätere Opfer angetanzt und eingekreist zu haben. Die 21 Jahre alte Erasmus-Studentin habe ihre letzten Tage in Wien genießen und den Semester-Abschluss feiern wollen, ehe sie in ihre Heimat zurückkehrte. Der Angeklagte habe sie umklammert, sie zu küssen versucht, sie gestreichelt und im Intimbereich betastet. Als die junge Frau sich losriss und den Bereich vor der Bühne fluchtartig verließ, sei er ihr gefolgt, habe sie "mit einem Würgegriff" gepackt "und mit einem Schwung ins Gebüsch gezogen", zitierte die Staatsanwältin aus einem Polizeibericht.
Überhaupt dürfte die 21-jährige Frau von mehreren fremden Männern sexuell belästigt worden sein. Während der Angeklagte die Studentin umklammert und angetanzt hätte, habe eine "Menschentraube" das Paar umringt, nach außen abgeschottet und nach der Frau gegriffen. Das schilderte ein Beamter der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) als Zeuge.
Unbeteiligte Frauen meldeten Notlage auf Tanzfläche
Der 28-jährige Beamte hatte sich gemeinsam mit zwei Kollegen vor die "Krone Hit"-Bühne begeben, nachdem unbeteiligte Frauen und Security-Kräfte die Polizei auf die Notlage der 21-Jährigen hingewiesen hatten. Die drei Beamten in Zivil, die per Funk verständigt wurden, kämpften sich darauf zu einer Gruppe von 25 bis 30 Afghanen durch. Diese hätte den Angeklagten und die Slowakin umringt, neben dem Angeklagten hätten weitere, teilweise halbnackte Männer die Frau begrapscht und im Intimbereich zu berühren versucht, so der Zeuge: "Die Erschütterung war groß, weil wir so etwas in Österreich noch nicht wahrgenommen haben."
Die Frau habe "Abwehrbewegungen" gemacht: "Die wollte raus, panisch." Als es der 21-Jährigen gelang, sich loszumachen und den Bereich vor der Bühne zu verlassen, sei ihr der Angeklagte gefolgt, schilderte der Polizist weiter. Er habe sich an dessen Fersen geheftet: "Sie hat ihm (dem Angeklagten, Anm.) zu erkennen gegeben, dass sie die Schnauze voll hat. Sie hat abwehrende Handbewegungen gemacht."
Schließlich habe sie sogar zu laufen begonnen. Der Afghane sei ihr im Laufschritt über eine Böschung gefolgt, habe sie eingeholt, die linke Hand über ihren Kopf gelegt, sie nach unten gedrückt und in ein Gebüsch gezogen. Der junge Polizist sprach wörtlich von einer "bewussten Gewaltanwendung, um sie eine finstere Zone zu bekommen, wo man nichts sieht". Er sei nun unverzüglich eingeschritten, habe den Afghanen vom Körper der Frau gezerrt, den Mann fixiert und die Festnahme ausgesprochen, berichtete der Polizist. Die junge Frau habe geweint, sich auf den Boden gesetzt und sei "fertig" gewesen.
Der Angeklagte, der im Jänner 2015 nach Österreich gekommen war, behauptete dagegen, die 21-Jährige habe sich ihm gegenüber "freizügig" verhalten. "Ich bin hingegangen, um zu tanzen", schilderte der Bursch, weshalb er das Donauinselfest aufgesucht hatte. Schließlich sei er auf die allein tanzende Studentin aufmerksam geworden und habe diese angesprochen. "Falls sie einverstanden wäre, würde ich sie auch küssen", sei ihm dabei durch den Kopf gegangen. Er habe dann ihren Hals geküsst: "Sie hat nichts gesagt. Da sie sich nicht geweigert hat, habe ich mir gedacht, sie möchte vielleicht mehr."
In weiterer Folge habe er seine Lippen auf ihre gedrückt. "Sie hat mich ebenfalls geküsst. Da habe ich sie am Hintern angefasst", erzählte der 19-Jährige. Sie habe sich darauf zu ihm umgedreht: "Sie wollte, dass ich sie am Nacken küsse und mit ihr schmuse. Sie hat mich bereitwillig geküsst und nahm keinen Abstand zu mir." Ihm sei folglich klar gewesen: "Es hat ihr gefallen."
Als die Frau sich von der Bühne entfernte, sei er ihr nachgegangen - nicht um Sex zu haben, wie der Bursch dem Schöffensenat versicherte: "Ich wollte keinen Geschlechtsverkehr, da ich in einem Land aufgewachsen bin, wo das verboten ist." Er habe vielmehr mit ihr weitertanzen, sie allenfalls nach Hause begleiten wollen. Im Abseits habe er sie an den Händen ergriffen: "Ich war etwas betrunken. Sie auch. Ich dachte, sie ist etwas betrunken und spielt ein bisschen mit mir." Beim Versuch, sie erneut zu küssen, "sind wir dann beide umgefallen und die Böschung heruntergefallen, weil wir betrunken waren. Und dann waren gleich die Polizisten da", erklärte der junge Mann.