Die Enteignung des Geburtshauses von Adolf Hitler in Braunau ist nicht verfassungswidrig, hat der Verfassungsgerichtshof entschieden. Das Höchstgericht wies damit den Antrag der früheren Eigentümerin ab, wie VfGH-Präsident Gerhart Holzinger am Freitag verkündete. Nur die Enteignung stelle die volle Verfügungsgewalt der Republik sicher.
Die Enteignung des Geburtshauses von Adolf Hitler durch ein entsprechendes Gesetz war demnach im öffentlichen Interesse geboten, verhältnismäßig und nicht entschädigungslos, sie sei daher nicht verfassungswidrig.
Enteignung nötig
Das entsprechende Enteignungs-Gesetz war im Dezember des Vorjahres beschlossen worden, nachdem man im Innenministerium - nach vergeblichen Gesprächen mit der Besitzerin des Hauses - zum Schluss gekommen war, dass die Enteignung nötig sei, um eine Nutzung des Gebäudes im Sinne einer nationalsozialistischen Wiederbetätigung ausschließen zu können. Am 14. Jänner 2017 trat das Gesetz in Kraft. Danach kündigte das Ministerium an, das Haus zu sanieren und wieder einer sozialen Nutzung - durch die Lebenshilfe - zuzuführen.
Wiederholt ausgesprochen
Der Verfassungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, "dass die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der im Jahr 1945 wiedererstandenen Republik Österreich ist", erklärte Präsident Gerhart Holzinger zur Enteignung von Hitlers Geburtshaus. Die Republik habe eine "besondere Verantwortung" in der Unterbindung von neo-nationalsozialistischem Gedankengut.
Das Hitler-Geburtshaus war den ehemaligen Eigentümern 1952 zurückgegeben worden. Die Republik mietete sich aber ein und nutzte das Haus für verschiedene Zwecke, zuletzt als Tagesheimstätte der Lebenshilfe Oberösterreich. Diese zog 2011 aus, seither steht das Haus leer. Im Vorjahr kam das Innenministerium - nach vergeblichen Gesprächen mit der Besitzerin - zum Schluss, dass die Enteignung nötig sei, um eine Nutzung des Gebäudes im Sinne einer nationalsozialistischen Wiederbetätigung ausschließen zu können. Dafür wurde eigens ein Gesetz beschlossen, das am 14. Jänner 2017 in Kraft trat. Danach kündigte das Ministerium an, das Haus zu sanieren und wieder einer sozialen Nutzung - durch die Lebenshilfe - zuzuführen.
"Kein faires Verfahren"
Der Rechtsanwalt der ehemaligen Besitzerin, Gerhard Lebitsch, erachtete die Enteignung durch ein Gesetz an sich für problematisch, auch könne man dies nicht mit einem normalen fairen Verfahren vergleichen. Das Höchstgericht wies die behauptete Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren allerdings zurück: Der VfGH kann "keinen Missbrauch der Gesetzesform" erkennen, sagte Holzinger.
Auch eine Verletzung des Rechts auf Eigentum sah der VfGH nicht. Eine Enteignung sei zulässig, wenn sie im öffentlichen Interesse geboten sei. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag von Wien, das verfassungsgesetzliche Verbot der nationalsozialistischen Wiederbetätigung und der historische Kontext Österreichs würden allen Staatsorganen "eine besondere Verantwortung" im Umgang mit der Unterbindung von neonationalsozialistischem Gedankengut gebieten.
Pilgerstätte
Hitlers Geburtshaus komme ein Alleinstellungsmerkmal zu, es sei geeignet, als eine Art "'Pilgerstätte' oder Identifikationsstätte zur Pflege (neo-)nationalsozialistischen Gedankenguts" besucht zu werden, erklärte Holzinger. Die "spezifische Symbolkraft" könne nachhaltig nur beseitigt werden, wenn eine tiefgreifende bauliche Veränderung dem Objekt den Wiedererkennungswert nehme. Der Staat sei verpflichtet, selbst sicherzustellen, dass Missbrauch nicht stattfinden könne. Das sei aber nur möglich, wenn der Bund die volle Verfügungsgewalt über das Objekt erlange. Daher sei "der Bedarf zur Enteignung gegeben".
Die Enteignung sei nicht unverhältnismäßig, da das Ziel nur durch die Enteignung der gesamten Liegenschaft sichergestellt sei, argumentieren die Höchstrichter. Auch sei auszuschließen, dass die Liegenschaft an Dritte verkauft wird. Die Republik habe sich außerdem mehrfach erfolglos um den Kauf der Liegenschaft bemüht. Die Enteignung erfolge auch nicht ohne Entschädigung, die Antragstellerin ist daher auch nicht im Recht auf Eigentum verletzt worden. Wie hoch die Entschädigung sein wird, muss der Innenminister nach Verhandlungen mit den Rechtsvertretern der früheren Eigentümerin festlegen, erläuterte Holzinger.
Geht nicht um Denkmalschutz
Denkmalschutz spielte in diesem Fall übrigens keine Rolle, wie Holzinger auf Journalistenfragen klarstellte: "Denkmalschutz ist keine verfassungsrechtliche Kategorie." "Das ist ein völlig singulärer Fall" - ausnahmsweise sei es zulässig, das Eigentum auf den Bund zu übertragen, um nationalsozialistische Wiederbetätigung zu bekämpfen. "Es ist ein ganz außergewöhnlicher Fall", betonte der VfGH-Präsident, aber das Höchstgericht habe seine Judikaturlinie aus anderen Fällen in Bezug auf den Nationalsozialismus fortgesetzt.
Rechtsanwalt Lebitsch meinte, die Entscheidung sei "zur Kenntnis zu nehmen". Es bestehe nun noch die Möglichkeit, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu wenden - er werde das mit seiner Mandantin erst besprechen, gehe aber davon aus, dass sie diesen Weg wählen wolle. Wie schon das Verfahren vor dem VfGH hätte auch dies freilich keine aufschiebende Wirkung, die Enteignung ist bereits durch die Kundmachung des Gesetzes im Jänner eingetreten. Seine Mandantin hänge an dem Haus, habe sie doch dort ihre Kindheit und Jugend verbracht.
In Anlehnung an Reinhold Mitterlehners Abschiedsrede als ÖVP-Chef und Vizekanzler wünschte Holzinger den Journalisten übrigens "einen schönen Sommer" - Nachsatz: "Ich komme allerdings im Herbst wieder."