Eines Tages schlurft der überaus gelehrte, überaus dicke Universitätsprofessor Thomas von Aquin, der größte Geist seiner Epoche, schweigend von seiner Vorlesung an der Pariser Sorbonne hinunter in die Cité. Er reflektierte über den eigentlichen Wert seines gigantischen Lebenswerkes, die "Summa Theologiae", jene bis ins Detail präzise philosophische Ausdeutung des christlichen Glaubens. Aber er erinnert sich auch an das Auftragswerk, das er 1264 für den Papst Urban IV. verfasst hatte, die Hymnen für das soeben gestiftete Fronleichnamsfest: "Lauda Sion Salvatorem", "Pange lingua" und das jubilierende "Tantum ergo". Und er kommt zu dem Schluss, dass alles, was er vor diesen ekstatischen lateinischen Versen geschrieben hatte, letztlich doch bloß "leeres Stroh" gewesen sei. Das Mysterium Fronleichnam hatte ihn, den Intellektuellen, vollständig überwältigt.
Eines von mehreren eucharistischen Wundern hatte Papst Urban zur Einführung des Festes bewogen: Dem Priester Peter von Prag waren bei einer Messe in Bolsena Zweifel an der realen Präsenz Jesu Christi, also Gottes, in der gewandelten Hostie gekommen. Als er die Hostie brach, tropfte Blut auf das Altartuch.
Schon im 7. Jahrhundert hatte sich ein bis auf den heutigen Tag nachweisbares Hostienwunder in der Stadt Lanciano ereignet. Eine Hostie verwandelte sich in blutiges Fleisch, das man seither in einem Pokal aufbewahrte. 1970 ergab die medizinische Analyse dieses Stückchens Fleisch und des verklumpten Blutes, dass es sich um Herzgewebe eines Menschen, und zwar eines lebenden Menschen handelt.
Dergleichen steht im diametralen Widerspruch zu jeglicher intellektuellen Zeitschlüpfrigkeit. Schon als Jesus von seinem Fleisch und seinem Blut als „wahrer Speise und wahrem Trank“ sprach, wandten sich viele von ihm ab: „Wer vermag das zu ertragen ...“
Bis zum Äußersten provokant der Satz aus dem Johannesevangelium: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“
Die zu Fronleichnam gefeierte Einsetzung der Eucharistie am Gründonnerstag als Realität, als Realpräsenz von Fleisch und Blut im Altarsakrament zu akzeptieren, erfordert mehr intellektuellen Mut, Dien-Mut, Demut, vor dem Wunder zu knien, als sämtliche zeitgeistige „Diskussionen“ zusammen.
Bertram Karl Steiner