Ein 21-jähriger Wiener, der im vergangenen Herbst in Favoriten einen Passanten zu überfahren versucht haben soll, wird sich wegen versuchten Mordes vor Geschworenen verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft Wien hat beim Landesgericht für Strafsachen eine entsprechende Anklage eingebracht, bestätigte Gerichtssprecherin Christina Salzborn am Dienstag Informationen der APA.
Für Verteidiger Wolfgang Blaschitz ist der Vorwurf "absurd. Es ist nichts passiert". Der Bursch - ein Elektriker-Lehrling mit türkischen Wurzeln - sei mit dem Auto seines Vaters unterwegs gewesen. "Ein Peugeot 205. Bei allem Respekt, das ist kein Modell, das sich für Amokfahrten eignet", so Blaschitz.
Rotlicht ignoriert
Laut Anklage soll der 21-Jährige am 29. September gezielt und mit überhöhter Geschwindigkeit - der Tacho zeigte demnach mehr als 80 km/h an - auf einen Mann losgefahren sein, der im Kreuzungsbereich Laxenburger Straße - Quellenstraße einen Schutzweg überquerte. Er soll dabei sogar das Rotlicht einer Ampel ignoriert haben. Der Passant - ein Obdachloser, der mit zwei anderen Unterstandslosen seiner Wege ging - konnte sich dem Staatsanwalt zufolge im letzten Moment mit einem Sprung zur Seite retten. Dessen Begleiter befanden sich noch auf einer Verkehrsinsel, als der Peugeot auf sie zukam. Für sie bestand daher keine Gefahr.
"Mein Mandant ist sicher nicht mit Absicht auf den Mann losgefahren", versicherte Verteidiger Blaschitz Dienstagmittag im Gespräch mit der APA. Er verwies auf ein im Auftrag der Justiz eingeholtes Gutachten eines Verkehrstechnikers: "Daraus geht hervor, dass der Autofahrer am Fußgänger problemlos vorbeigekommen wäre, wenn er seine Fahrt fahrbahnmittig fortgesetzt hätte." Außerdem sei nicht erwiesen, dass der 21-Jährige die Ampel ignoriert hätte: "Es gibt keine Videoaufzeichnung. Daher konnte der Sachverständige die angebliche Rotlicht-Missachtung nicht nachweisen." Schließlich habe der Obdachlose selbst in seiner ersten polizeilichen Einvernahme erklärt, er habe sich entweder durch einen Sprung oder einen schnellen Schritt in Sicherheit gebracht. "Wenn ein schneller Schritt gereicht hat, kann die Gefahr nicht sehr groß gewesen sein", so Blaschitz.
Jedenfalls vom Tisch ist ein zunächst vermuteter terroristischer Hintergrund. Nach der Festnahme des 21-Jährigen war das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eingeschaltet worden, weil Zeugen angegeben hatten, der junge Mann mit türkischen Wurzeln hätte wiederholt "Allahu Akbar" (Gott ist groß) ausgerufen. Zudem wurde im Pkw ein Koran sichergestellt.
"Der Koran gehört dem Vater", offenbarte Blaschitz. Der 21-Jährige wiederum sei Fan des deutsch-türkischen Rappers Geeflow und habe während der Fahrt eine CD des Künstlers angehört. "In einem Refrain kommt immer wieder 'Allahu Akbar' vor. Das hat er lautstark mitgesungen." Da sich die Tat am Tag nach der Urteilsverkündung im Prozess gegen den Grazer Amokfahrer abspielte, habe man offenbar voreilig einen Terrorverdacht angenommen, sagte Blaschitz: "Fest steht, dass die Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eingestellt wurden."
Wann die Verhandlung stattfinden wird, ist noch unklar. Es gibt keinen offiziellen Prozesstermin. Das Verfahren wird Richterin Martina Krainz leiten.