Ein 43-jähriger Tschetschene, dem ein Raubmord vor 16 Jahren in Sibirien zur Last gelegt worden war, ist am Mittwoch im Landesgericht Wels freigesprochen worden. Der Angeklagte hatte bis zuletzt behauptet, jemand anderer zu sein. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Im Jahr 2000 war in der sibirischen Stadt Raduzhny eine Marktfrau ausgeraubt und ermordet worden. Sie hatte Geld für die Hochzeit ihrer Tochter gespart. Dass sie dieses in ihrem Strumpfgürtel verwahrte, war in ihrem Umfeld ein offenes Geheimnis. Drei Männer, einer davon ihr Neffe, besuchten sie in ihrer Wohnung. Zuerst wurde geredet und getrunken. Dann töteten sie ihr Opfer durch Schläge mit einer Krimsekt-Flasche und stachen mit einem Messer auf es ein. Anschließend flüchteten sie mit dem Ersparten der Frau - rund 100.000 Rubel und 4.000 Dollar.
Fall in Österreich verhandelt
Zwei Täter sind bereits in Russland verurteilt worden. Der dritte soll laut russischen Ermittlern ein heute 43-jähriger Tschetschene sein, der sich nach Österreich abgesetzt hat und von einem der Verurteilten schwer belastet wird. Weil das Oberlandesgericht Linz entschieden hat, dass ihm als Tschetschene in Russland kein faires Verfahren garantiert werden könne, wurde sein Fall in Wels verhandelt. Der Mann, der subsidiären Schutz hat, wurde anhand seiner Fingerabdrücke identifiziert. Er nennt sich allerdings Musa A. und nicht, wie von den russischen Behörden übermittelt, Abdula G.
Die Staatsanwaltschaft erklärt sich das mit einer Alias-Identität. Der Angeklagte hingegen beteuert, mit dem Verbrechen nichts zu tun zu haben. Er vermutet, dass man ihn mit einer falschen Anschuldigung hinter Gitter bringen wolle, damit er nach Russland ausgeliefert wird, weil er im tschetschenischen Widerstand war.
Um dieses Dilemma zu klären, war der Prozess im Juli vertagt worden. Wie Richter Hans-Jörg Reichl bei der Fortsetzung am Mittwoch mitteilte, habe eine Prüfung der Landespolizeidirektion Oberösterreich ergeben, dass der vom Angeklagten vorgelegte Pass und seine Heiratsurkunde - beide auf Musa A. - echt seien. Der Verteidiger verwies zudem darauf, dass es eine Zeugenaussage gebe, wonach ein Abdula G. bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei.
"Ich bin nicht der, für den ich gehalten werde, ich bin unschuldig", sagte der gefasst wirkende Angeklagte zum Abschluss des Prozesses. Die Geschworenen dürften ihm geglaubt oder zumindest Zweifel an der Version der russischen Ermittler gehabt haben. Sie fällten ihren Wahrspruch sehr rasch und sprachen den Angeklagten einstimmig von den Vorwürfen des Mordes sowie des Raubes frei. Das Urteil ist aber nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgegeben hat.