Wenig Reue haben im Wiener Landesgericht drei Burschen aus Afghanistan erkennen lassen, die am 22. April 2016 am Praterstern eine Studentin vergewaltigt haben sollen. Die Idee dazu sei "von niemandem" gekommen, sagten zwei Angeklagte, 17 bzw. 18 Jahre alt. Der Jüngste - ein 16-Jähriger - gab zu, die Tat sei von ihm ausgegangen, schränkte aber zugleich ein: "Ich habe kein Gesetz gebrochen."
Passten geeignetes Opfer ab
Die Burschen, die sich bis zu ihrer Festnahme als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bundesbetreuung befunden hatten und von der Caritas unterstützt wurden, hatten sich am 22. April 2016 am Bahnhof Praterstern getroffen. Dort konsumierten sie eine Flasche Whiskey, nachdem sie schon am Nachmittag dem Alkohol zugesprochen hatten. "Dann haben sie ein geeignetes Opfer abgepasst. Sie sind der jungen Frau gefolgt und haben sie brutal vergewaltigt. Wenn Ihnen heute jemand was Anderes erzählen will, ist das schlicht falsch", stellte Staatsanwältin Katharina Stauber zu Beginn der Verhandlung klar.
Studentin am Praterstern vergewaltigt: Prozess vertagt
Mund und Nase zugehalten
Die Burschen verfolgten eine 21-jährige Frau, die im Bahnhofsbereich die am U-Bahn-Ausgang Lasallestraße gelegene Toiletten-Anlage aufsuchte. Der Jüngste des Trios öffnete mit einer Münze die Kabinentür, die die Studentin abgeriegelt hatte. Die Frau beschimpfte die Eindringlinge, die daraufhin mit roher Gewalt über sie herfielen. Sie wurde zu Boden gebracht. Weil sie sich wehrte, wurde ihr Kopf mehrfach gegen die Klomuschel geschlagen. Sie wurde am Boden fixiert, ihr wurden Mund und Nase zugehalten. "Sie hat geglaubt ersticken zu müssen", betonte die Staatsanwältin.
Hämatome am ganzen Körper
In der Anklageschrift wird im Detail das Martyrium der Frau beschrieben. Sie trug Hämatome am ganzen Körper, Würgespuren am Hals und Einblutungen an den Schultern und am rechten Oberarm davon. "Viel schwerwiegender sind die seelischen Folgen", verwies die Staatsanwältin auf eine posttraumatische Belastungsstörung, die das Leben der 21-Jährigen seither auf den Kopf gestellt hat.
"Leerer Roboter"
"Ihr ist der Albtraum jeder Frau passiert", führte die Rechtsvertreterin der jungen Frau, Sonja Aziz (Kanzlei Kolbitsch Breitenecker Vana), ins Treffen. Ihre Mandantin sei vorher eine lebenslustige junge Frau gewesen, die die Gesellschaft anderer genoss, sich für Theater und Malerei begeisterte und nach Österreich kam, um in Wien Industriedesign und Raumplanung zu studieren. "Seit dem Vorfall erträgt sie die Nähe zu anderen Menschen nicht mehr. Sie hat Schlafstörungen, fühlt sich wie ein leerer Roboter, meidet die Gesellschaft von Männern und kann nicht mehr studieren", berichtete Aziz.
Opfer Schuldgefühle eingeredet
Ihre Herkunft dürfte es der 21-Jährigen noch schwerer machen, das Erlebte seelisch verarbeiten zu können. "In den Land, wo sie herkommt, ist Vergewaltigung ein Tabu", gab Aziz zu bedenken. Die junge Frau habe ihren Eltern bis heute nicht genau erzählen können, was ihr widerfuhr. Männliche Bekannte bzw. Freunde hätten ihr Schuldgefühle eingeredet. "Sie kann mit niemandem darüber sprechen. Das Schlimmste ist, dass sie das Grundvertrauen verloren hat", meinte ihre Rechtsvertreterin, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hat.
Prozess überraschend vertagt
Die Verhandlung um die am Praterstern vergewaltigte Studentin ist überraschend vertagt worden. Grund: Die psychiatrische Sachverständige, die die 21-Jährige im Auftrag der Justiz untersucht und eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt hatte, hat auf das gerichtliche Ersuchen um ein Ergänzungsgutachten bis zum heutigen Tag nicht reagiert.
Die viel beschäftigte Gerichtspsychiaterin hätte dem Gericht Auskunft über die Schmerzperioden der psychisch sehr stark mitgenommenen jungen Frau erteilen sollen, da sich daraus die Höhe eines allfälligen Privatbeteiligten-Zuspruchs errechnen lässt. Opfer einer Straftat können sich grundsätzlich dem sie betreffenden Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen und auf diesem Weg eine finanzielle Wiedergutmachung geltend machen, was ihnen einen Zivilprozess gegen den bzw. die Täter erspart.
Obwohl die Sachverständige am 13. Oktober um ergänzende Ausführungen gebeten wurde, "ist bis zur Stunde nichts eingelangt", gab Richter Norbert Gerstberger bekannt, nachdem er sicherheitshalber noch in seiner Kanzlei telefonisch nachgefragt hatte. Die Sachverständige wiederum war telefonisch nicht erreichbar.
Die Verhandlung wird am 31. Jänner fortgesetzt. Die Angeklagten bleiben bis dahin in U-Haft.