Aufarbeitung der Vorfälle, Personalnachbesetzung, psychologische Betreuung und Einführung einer "Safety Line" für die Mitarbeiter, Qualitätssicherung: Auf den Tag genau zwei Wochen nach Bekanntwerden des mutmaßlichen Quälens von Patienten im Pflegeheim Clementinum in Kirchstetten in Niederösterreich berichtete Geschäftsführer Florian Pressl über die sofort eingeleiteten Maßnahmen.
Es gelte dazuzulernen und das massiv zerstörte Vertrauen wieder aufzubauen, betonte er die situationsbedingte Notwendigkeit von Offenheit und entschlossenem Handeln. Gerade in der sensiblen Langzeitpflege brauche es das Vertrauen der Angehörigen. Diese seien sofort nach Auftauchen der Vorwürfe informiert worden. Ebenso hob der Geschäftsführer die gute Zusammenarbeit mit den Behörden, der Pflegeaufsicht des Landes und der Patientenanwaltschaft hervor.
Als besonders "perfid" bezeichnete er es, dass ausschließlich völlig hilflose Patienten, die nicht einmal um Hilfe rufen konnten, den Schikanen der in der Folge fristlos Entlassenen (drei Frauen und ein Mann) ausgesetzt waren. Betroffen waren laut den Hinweisen demnach mehrere Patienten auf einer von drei Stationen. Das Ermittlungsverfahren führt die Staatsanwaltschaft St. Pölten.
Bisherige Qualitätskontrolle
1903 wurde die gemeinnützige Einrichtung im Bezirk St. Pölten eröffnet, viele Familien aus der Region hatten und haben Angehörige dort, mit 100 Beschäftigten bei 114 Bewohnern sei das Heim ein großer Arbeitgeber. Erklärtes Ziel sei der Schutz der Bewohner und die Sicherstellung der Betreuung. Seit zehn Jahren ist das Heim ISO-zertifiziert, beleuchtete Veronika Schauer das Qualitätsmanagement im Haus. Zur Überprüfung der Abläufe gebe es u.a. externe und interne Audits mit langen Gesprächen sowie angekündigte und unangekündigte Begehungen.
Alle vier Jahre gibt es Befragungen von Angehörigen, Vertrauenspersonen und Sachwaltern, die von einem Marktforschungsinstitut ausgewertet werden. Auch mit den Bewohnern werden Interviews geführt, Mitarbeiter werden regelmäßig befragt und haben die Möglichkeit, persönlich oder auch anonym Anregungen, etwaige Meldungen und Beschwerden abzugeben.
Pressl hob die Courage jener Mitarbeiterin hervor, die ihrem Vorgesetzten am Abend vor zwei Wochen den Verdacht gemeldet hatte. Umgehend wurde sichergestellt, dass keiner der vier unter Verdacht stehenden Personen Wochenenddienst hatte, und gleichzeitig untersucht, ob hinter den Vorwürfen vielleicht auch "nur" ein Streit unter Kollegen stehen könnte, was aber offenbar nicht der Fall war, worauf die Polizei verständigt und die fristlosen Entlassungen ausgesprochen wurden. "Wir haben uns auch sofort um die übrigen, durch die Situation belasteten Mitarbeiter in der Langzeitpflege gekümmert", verwies Pressl auf deren psychologische Betreuung.
Es gibt keine Garantien
Weiters wurde auf Anregung des niederösterrichischen Patientenanwalts mit der Plattform für Patientensicherheit Kontakt aufgenommen. Die "Safety Line" als Sicherheitszentrum werde als neues Angebot im Langzeitpflegebereich eingeführt. Damit könne sich jeder Mitarbeiter anonym an eine unabhängige Stelle wenden - Pressl drückte die Hoffnung aus, dass allfällige Missstände dadurch noch schneller aufgedeckt werden. Eine Garantie, dass so etwas nie wieder vorkomme, werde es aber auch bei völliger Überwachung nie geben.
Pressl bedauerte, dass durch Einzelfälle wie der aktuelle eine ganze Branche in Misskredit gerate, während tagtäglich im Land hunderttausendfach Langzeitpflege passiere. Erfreulich sei, dass es zahlreiche Bewerbungen für die Nachbesetzung gebe. Bis zur Personalentscheidung seien zur Überbrückung Leiharbeitskräfte tätig.