Nach dem Unwetter Freitagabend in Tirol sind am Samstag die Aufräumarbeiten im hauptbetroffenen St. Anton am Arlberg (Bezirk Landeck) auf Hochtouren gelaufen. 350 Kräfte standen im Einsatz. Vor allem ging es darum, Keller und Garagen auszupumpen, Straßen aufzuräumen sowie die Geschiebebecken vom Geröll zu befreien. Man sei auf einem „guten Weg“, sagte Peter Mall vom Krisenstab am Abend zur APA. Ein Entscheidung über eine Öffnung der Arlbergpassstraße fällt Sonntagnachmittag.

Vor allem seien die zahlreichen Einsatzkräfte von Feuerwehren, aber auch Bergrettung und Rotem Kreuz, nach wie vor dabei, die Geschiebebecken freizubekommen, so Mall. Je rascher, desto besser - und dies deshalb, weil noch bis Sonntagabend weitere Regenfälle prognostiziert wurden. Sollten die Becken dann nicht ausreichend freigeräumt sein, wäre das „suboptimal“. Aber vorerst gelte es abzuwarten, am späten Nachmittag regnete es kurzzeitig wieder stark in St. Anton, aber dann brach auch schon wieder die Sonne durch. Man habe zwar etwas Sorge, aber keine Angst, erklärte Mall: „Wir sind gut vorbereitet.“ Ansonsten würden weiter die betroffenen Straßen freigeräumt, die Schäden nach und nach abgearbeitet, von Haus zu Haus gegangen. Vieles passiere natürlich auch im privaten Bereich.

Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden insgesamt 35 Gebäude in der Gemeinde durch das Unwetter beschädigt - insbesondere Keller und Tiefgaragen waren von Überschwemmungen betroffen, teilte das Land Tirol Samstagnachmittag mit. Im Ortszentrum wurde eine Brücke durch eine Mure mitgerissen, auch außerhalb des Ortskerns waren mehrere Brücken beschädigt.

Man habe es mit „26 Einsatzstellen“ zu tun, erklärte Krisenstab-Sprecher Mall. Diese seien bis in die Nacht gesichtet worden und würden nun beständig abgearbeitet. „Zum Einsatz kommt dabei auch schweres Gerät - etwa Bagger und Lkw - mit denen die Erdmassen der Muren abtransportiert werden“, schilderte der Bürgermeister von St. Anton, Helmut Mall. Dafür wird viel aufgeboten: Die Einsatzkräfte wurden am Samstag von einem Katastrophenhilfszug unterstützt, der aus 24 Feuerwehren aus dem Bezirk Landeck und fünf Großpumpen aus Lans, Imst, Innsbruck-Arzl und zwei von der Landes-Feuerwehrschule bestand, informierte das Land in einer Aussendung.

Betroffen von den Überflutungen und teils meterhohen Vermurungen war laut Land Tirol das westliche Ortsgebiet von St. Anton am Arlberg mit einigen Ortsteilen sowie dem Bereich um zwei Kreisverkehre. Eine große Mure war unter anderem am sogenannten Jungbrunntobel abgegangen, zwei Bäche traten daraufhin über die Ufer, es kam zu Verklausungen. Wasser drang in Keller von Häusern ein, einige Straßen wurden geflutet und zu reißenden Bächen. Das unmittelbare Ortszentrum der bekannten Tourismusgemeinde wurde zwar auch etwas in Mitleidenschaft gezogen, dort hielt sich aber das Ausmaß an Überschwemmungen und damit auch an Schäden in Grenzen, hieß es.

Dramatische Augenblicke spielten sich, wie auch Videoaufnahmen zeigten, am Ufer der Rossana ab. Die Wassermassen rissen mindestens drei Autos in den Fluss. Es befanden sich aber keine Personen in den Pkw, generell lagen keine Informationen über Verletzte vor, so Mall vom Krisenstab. Auch auf einem gefluteten Parkplatz steckten mehrere Pkw und ein Bus in Geröll und Schlamm fest.

Am Vormittag fand indes ein Hubschrauberflug mit Landesgeologie und Wildbachverbauung statt, um mögliche Gefahrenstellen bzw. Gefahrenpotenziale auszuforschen. Zudem machten sich Tirols Landeshauptmann Anton Mattle, selbst im Bezirk Landeck beheimatet, sowie Sicherheitslandesrätin Astrid Mair (Beide ÖVP) ein Bild der Lage. „Zunächst sind wir alle sehr erleichtert, dass kein Mensch bei den gestrigen Unwettern zu Schaden gekommen sind - das ist das Wichtigste“, betonte Mattle. Dennoch habe man es mit einem „enormen Sachschaden“ zu tun. „Wir beobachten die Wettersituation auch in den nächsten Stunden und Tagen ganz genau“, sagte der Landeshauptmann. Zudem wies er darauf hin, dass man für „all jene, die Hab und Gut verloren haben oder Schäden an ihren Gebäuden verzeichnen müssen“, Unterstützung anbiete: „Mit dem Katastrophenfonds können wir bei solchen Schäden nach Elementarereignissen zielgerichtete finanzielle Hilfe leisten.“

Unterdessen blieb die Arlberg-Bundesstraße bzw. Passstraße (B 197), auf die sowohl auf Tiroler als auch auf Vorarlberger Seite eine Mure abgegangen war, weiter für den Verkehr gesperrt. Dies wurde bei einer Lagebesprechung der Einsatzleitungen Samstagnachmittag entschieden. Sonntagnachmittag werde man die Lage erneut bewerten und entscheiden, ob die Straße geöffnet werden kann oder noch nicht, ließ das Land Tirol wissen. Da auch der Arlbergtunnel derzeit wegen Sanierungsarbeiten gesperrt ist, waren somit vorerst beide Straßenverbindungen am Arlberg unpassierbar. Vorarlberg war von Tirol aus vorerst nur über das Lechtal bzw. Deutschland erreichbar. Wie die Vorarlberger Polizei Samstagvormittag mitteilte, wurde die Straße auf Tiroler Seite bereits geräumt, wies allerdings Schäden auf, durch die eine Befahrung für den öffentlichen Verkehr derzeit noch nicht möglich sei. Von und nach Osten war die An- und Abreise nach St. Anton weiterhin möglich. Auch die Zugverbindung war ohne Einschränkungen gegeben, der Öffentliche Verkehr mit Einschränkungen weiter aufrecht.

Auf Vorarlberger Seite ging bei St. Christoph am Arlberg eine Mure auf die Straße ab, die gesamte Fahrbahn wurde verlegt. Die Straße wurde stark unterspült und die Fahrspur in Fahrtrichtung Tirol zerstört. Die Fahrspur Richtung Bludenz blieb aufgrund der darunterliegenden Stützmauer bestehen und konnte für die Aufräum- und Evakuierungsarbeiten verwendet werden, hieß es. Es werde derzeit im Bereich des Arlenmäderbaches an einer Möglichkeit gearbeitet, die beschädigte Straße zu umfahren, so die Vorarlberger Polizei. In Stuben am Arlberg mussten laut Land drei Häuser vorübergehend evakuiert werden. Kurz vor der Passhöhe wurde die Landesstraße teilweise weggerissen.

Am Samstagnachmittag traf sich Mattle mit Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) am Arlbergpass zu einem Lokalaugenschein bzw. „Lagebesprechung“. Vorarlberg habe als „Nachbar und Freund“ unmittelbar Unterstützung zugesagt, so Mattle. Experten auf beiden Seiten würden auf Hochtouren daran arbeiten, die Straße wiederherzustellen. Schließlich nahmen die Landeschefs mit ihren Sicherheitslandesräten Mair (Tirol) und Gantner (Vorarlberg) auch noch an einer Lagebesprechung in St. Anton teil.

In Tirol war es am Freitag unterdessen auch im Bezirk Innsbruck-Land lokal im Zuge eines schweren Unwetters über das westliche Mittelgebirge zu massiven Erdrutschen gekommen. Die Sellraintalstraße (L13) war nach einem großen Murenabgang im Gemeindegebiet von Sellrain zwischen Sellrain und Kematen vorerst gesperrt. Die Sperre bleibe aufgrund der Größe des Murenereignisses und der aktuell schlechten Wetterprognosen zumindest bis Montag aufrecht, wurde am Samstag betont. Dann erfolge eine erneute Lagebeurteilung. Eine Umfahrung war über Oberperfuss, Grinzens oder das Kühtai möglich.

Im Verlauf der Nacht auf Samstag standen in Tirol 51 Feuerwehren mit hunderten Einsatzkräften im Einsatz und bewältigten 131 Alarmierungen. Besonders betroffen war neben St. Anton auch die Gemeinde Grinzens im westlichen Mittelgebirge (Bezirk Innsbruck-Land), wo es zu mehreren Überschwemmungen kam und Keller ausgepumpt werden mussten.