In Österreich kennen die meisten Menschen zwei Himmelfahrten, weil sie ihnen zwei Urlaubstage bescheren: Christi Himmelfahrt, 40 Tage nach dem Ostersonntag und somit immer an einem Donnerstag, und Mariä Himmelfahrt am 15. August. Himmelfahrt ist aber nicht gleich Himmelfahrt und nicht nur das Christentum kennt die Vorstellung von der Auffahrt eines Menschen in den Himmel.
Besondere Auszeichnung
Die christliche Theologie unterscheidet zwischen ascensio (=Aufstieg) und assumptio (= Aufnahme). Was wie akademische Haarspalterei klingt, gibt uns einen ganz wichtigen Hinweis: Einen Aufstieg in den Himmel aus eigener Kraft schafft nur Gott selbst. Wenn Jesus 40 Tage nach Ostern vor den Augen der Apostel „emporgehoben wird“, bis eine Wolke ihn den Blicken der Jünger entzieht, so kehrt er aus eigenem Vermögen zu seinem Vater im Himmel zurück, dem er gleich ist. Das Fest Mariä Himmelfahrt am heutigen Tag heißt aber eigentlich „Aufnahme (assumptio) Marias in den Himmel“ und bringt damit zum Ausdruck, dass der Mensch Maria von Gott als besondere Auszeichnung in den Himmel aufgenommen wurde.
Auch die Himmelfahrten, die in den anderen beiden monotheistischen Religionen überliefert werden, sind keine eigenmächtigen Aufstiege, sondern geschehen immer mit Gottes Hilfe und Erlaubnis. Der erste, dem diese Ehre in der Bibel zuteilwird, ist Henoch, der Urgroßvater Noahs. Über ihn heißt es im Buch Genesis im Alten Testament lapidar: „Henoch ging mit Gott, dann war er nicht mehr da; denn Gott hatte ihn genommen.“ (Gen 5,24) Aus diesem Weggang mit Gott wird in den Apokryphen, jenen Texten, die sich ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. mit biblischen Figuren und Ereignissen sehr eigenständig auseinandersetzen und deren Geschichten weiterschreiben, dann eine spektakuläre Himmels- und Unterweltsreise Henochs.
Im Wirbelsturm zum Himmel empor
Gut bekannt ist bis heute die Himmelfahrt des Propheten Elias. Er wird im zweiten Buch der Könige im Alten Testament mit einem „himmlischen Taxi“ abgeholt: Ein feuriger Wagen mit feurigen Pferden erscheint und Elias „fuhr im Wirbelsturm zum Himmel empor“ (2Kön 2,11). Dieses einprägsame Bild vom himmlischen Feuerwagen als Transportmittel hat den Propheten Elias in manchen volksreligiösen Traditionen, wie etwa in Kroatien, an die Stelle vorchristlicher Donnergötter treten lassen: Wenn es blitzt und donnert, fährt Elias im Feuerwagen über den Himmel, sagt man dort bis heute.
An eine ferne Kultstätte
Nicht weniger spektakulär ist die Himmelfahrt des Propheten Mohammed (2024 in der Nacht vom 6. auf den 7. Februar gefeiert) in der islamischen Überlieferung. Unter diesem Titel fallen mehrere Legenden zusammen oder werden überhaupt zu einer einzigen Erzählung verbunden: Einer Geschichte nach soll Mohammed von einem Ort im Heiligtum der Kaaba in Mekka vom Engel Gabriel über eine Leiter in den Himmel geführt worden sein, wo er frühere Propheten wie Abraham, Moses und Jesus getroffen und das Paradies geschaut habe. Eine andere Erzählung berichtet davon, wie Mohammed des Nachts auf seinem wundersamen Reittier Buraq, mitunter dargestellt als geflügeltes Pferd, an eine ferne Kultstätte geritten sei, aus der in späteren Versionen Jerusalem wird. In Verbindung beider Überlieferungen reitet Mohammed dann zunächst in einer Nacht auf seinem Reittier nach Jerusalem und steigt von dort auf einer Leiter in den Himmel.
Streng betrachtet handelt es sich bei dieser Himmelfahrt der islamischen Tradition um eine Himmelsreise, da Mohammed danach wieder zur Erde und seinen Anhängern zurückkehrt. Solche zeitlich begrenzten Himmelfahrten werden auch in der christlichen Tradition des Mittelalters sehr populär. Der wohl bekanntesten Jenseitsreise des Dichters Dante Alighieri durch Hölle, Paradies und Himmel in seiner Göttlichen Komödie aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts gehen zahlreiche solche Besuche im Jenseits in geistlichen und auch weltlichen Texten voran. Viele von ihnen beginnen damit, dass ein Engel oder ein bereits Verstorbener einen Menschen nachts im Schlaf abholt, damit dieser beim Erwachen von den Verheißungen und Drohungen des christlichen Jenseits berichten kann. Die Himmelsreise bleibt im Christentum aber, anders als im Islam, eine Vorstellung außerhalb der offiziellen Lehrtradition, vielleicht gerade, um sie von der Himmelfahrt und der Aufnahme Marias in den Himmel abzugrenzen.
Mehr als ein Versprechen
Alle diese Himmelfahrten und Himmelsreisen aus der Glaubenstradition von Judentum, Christentum und Islam zeugen von dem Wunsch einer direkten Verbindung zu Gott und seinem Reich, das in allen diesen Weltbildern oben im Himmel, jenseits des sichtbaren Himmels gedacht wird. Mit dieser besonderen Gnade eines direkten Zugangs aus dem irdischen Leben zum Himmel machen sie den anderen Gläubigen Hoffnung, dass der Himmel keine bloße Versprechung ist, sondern eine Realität, die sie erwartet. In diesem Sinn sind auch der Fußabdruck Jesu bei seiner Himmelfahrt am Ölberg und der Gürtel, den Maria bei ihrer Aufnahme in den Himmel angeblich zurückgelassen hat, zu verstehen: Es sind greifbare Verbindungsstücke zwischen Himmel und Erde, bleibende Erinnerungen daran, dass der Weg in diese andere, vollkommene Welt, offensteht.
Eine besondere Dynamik
Die Himmelfahrt hat zahlreiche Künstler über die Jahrhunderte hinweg beschäftigt. Insbesondere die heute gefeierte Aufnahme Marias in den Himmel hat Maler und Bildhauer in ihren Bann gezogen und daraus eine regelrechte Prozession gemacht: Engel, die Maria emporheben, Gottvater, Sohn und Heiliger Geist, die bereits auf sie warten und sie zur Himmelskönigin krönen, während sie selbst bescheiden an die Seite rücken. Himmelfahrt ist immer Bewegung, sie entfaltet eine Dynamik, die den Betrachter mitreißt, seinen Blick und seine Seele gleichsam nach oben zieht. Ein wallendes Gewand, eine Wolke, aus der nur mehr die gestreckten Füße Jesu herausragen, ein Mantel, der nach unten fällt, während der Weg himmelwärts führt. Ob Himmelfahrt, Aufnahme in den Himmel oder Himmelsreise: Sie alle zeigen, dass der Glaube die Schwerkraft überwinden kann.
*=Die Autorin ist Religionswissenschafterin an der Uni Graz
Theresia Heimerl*