Tausende bunte Glitzersteine werden in akribischer Kleinstarbeit mit der Pinzette auf Stoff geklebt, Reihe um Reihe, bis am Ende ein schimmernder Body an einer Kleiderpuppe hängt – ein fast identisches Replikat des „Lover“-Bodysuits der Musikerin Taylor Swift, einer von vielen, die sie während ihrer Tour auf der Bühne trägt. Ein „Swiftie“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, für den Konzertbesuch den Look der Künstlerin nachzuahmen, beinahe wie eine kreative Hommage. Alleine ist sie damit nicht, die „Eras-Tour“ wirkt für Swifts Fans auch abseits der Bühne als Inspiration, in neue Hobbys abzutauchen und sich kreativ auszuleben. Ob Anspielungen an Songtexte der Musikerin, berühmte Pop-Kultur-Momente oder an Alben orientierte Kleidungsstücke, bei Konzertbesuchen gibt es für „Swifties“ keine halben Sachen.

Auch für die Konzerte in Wien haben sich österreichische Fans teils monatelang auf die wenigen Tage vorbereitet und in der Planung neue Leidenschaften entwickelt. Wienerin Annika Schwarzinger sitzt seit mehreren Wochen vor ihrer Nähmaschine. Während Harry Styles‘ „Love on Tour“ hat sie ihre Liebe für Design entdeckt. „Ich bastle allgemein gerne und bin eine kreative Person, letztes Jahr habe ich dann meinen ersten Rock und ein Oberteil genäht. Das wollte ich für Taylor jetzt wieder machen“, erzählt sie. Für ihre Outfits hat sie sich von „Mirrorball“, ihrem Lieblings-Song, ihrem Lieblingsalbum „Lover“ und dem Song „When Emma falls in Love“ inspirieren lassen.

Swifties probieren vieles aus

Ein Tüllrock, ein Kleid aus einem Stoff mit aufgedruckten Büchern, Blumenstickereien – Schwarzinger hat viel Arbeit in ihre Outfits gesteckt. „Die Röcke zu nähen hat nicht so lang gedauert, aber die Stickereien waren aufwendig“, sagt sie schmunzelnd. „Viele Dinge musste ich auch einfach ausprobieren.“ Abgebrochene Nadeln, schiefe Nähte, beim ersten Mal wollte nicht immer alles klappen. „Aber das ist normal.“ Auf die Konzertabende freut sich die Wienerin besonders, denn Swift begleitet die 24-Jährige bereits seit zehn Jahren. „Sie hat mir durch viele schwierige Lebenslagen geholfen und Kraft gegeben, vor allem als ich in der Schule gemobbt wurde und mich mit meinen psychischen Erkrankungen auseinandersetzen musste.“

Selbstgemacht sind auch Teile von Sandra Hasslers Konzert-Outfit. Die Wolfsbergerin ließ sich von Swifts fünftem Album „1989“ und dem Beisatz „Taylor‘s Version“ inspirieren, den die neu aufgenommenen Alben der Musikerin tragen. „Ich habe einen babyblauen Rock und ein weißes Shirt dazu, das ich selbst bedruckt habe.“ „1989 - Sandra‘s Version“ steht nun darauf. Das Album ist eines ihrer Favoriten, wie sie sagt, und die Quintessenz von Freiheit und Frausein für sie verkörpert. „Eine Freundin hat einen Plotter, mit dem wir den Druck gemacht haben“, erzählt die Kärntnerin. Ihr Outfit komplett machen eine dazu passende selbstgemachte Schleife und eine Herzbrille, die die 28-Jährige mit Steinen beklebt hat. „2 Stunden hat das schon gedauert“, sagt sie.

Outfits zum Wiederverwenden

Ihr T-Shirt selbst bedruckt hat auch Content Creatorin Vivien Belschner aus Wien. Ihre Inspiration: der Song „But Daddy I Love Him“ auf dem neuesten Album „The Tortured Poets Department“. „Ich habe es ein bisschen gedreht und ,But Daddy I love love‘ daraus gemacht, weil es inklusiver ist und ich einfach schön finde, wie Liebe das Beste aus den Menschen herausholt.“ Dass ihre Outfits wiederverwendbar sind, war Belschner besonders wichtig. „Ich wollte nicht Dinge kaufen, die ich dann nur einmal anhabe, das T-Shirt werde ich ganz sicher auch weiterhin tragen, weil ich es cool finde.“ Auch der finanzielle Aufwand hielt sich in Grenzen und wäre somit auch eine erschwingliche Lösung für all jene, deren Geldbörse keine teuren Outfits zulässt. „Man muss nicht immer viel Geld ausgeben. Das Shirt hatte ich bereits daheim und die Farbe habe ich mir um zwei Euro im Bastelhandel gekauft.“

Denselben Ansatz verfolgt auch Jules Vogel, die sich wie Schwarzinger an „Mirrorball“ orientiert hat. Im Glitzerkleid geht es für sie zum Konzert. „Das kann ich dann auch leicht für Weihnachtsfeiern und Silvester wiederverwenden“, sagt sie. Den Trend, Outfits selbst zu machen, hält sie für einen schönen Effekt, den Swift auf ihre Fans hat. „Ich finde es toll, wie kreativ die Leute sind und ihre ,Girlhood‘ ausleben, gleichzeitig glaube ich, dass das für manche auch Druck erzeugen kann.“ Man müsse niemandem etwas beweisen, betont sie. „Das wichtigste ist, sich wohlzufühlen und eine schöne Zeit zu haben. Jetzt haben wir uns ein Jahr darauf gefreut, kaum zu glauben, dass es jetzt so weit ist.“

Fündig im Kleiderschrank

Ihr Outfit aus bestehenden Stücken aus ihrem Kleiderschrank zusammengestellt hat Lena Luisa Fuchs. Die gebürtige Steirerin ist seit der ersten Stunde Fan der Musikerin und ließ sich deshalb auch vom Debutalbum der Musikerin und ihrem zweiten Album „Fearless“ inspirieren. „Ich habe auch viel auf Pinterest geschaut, was ich machen könnte und habe mich dann für meine Version des ,Love Story‘-Kleides entschieden“, erzählt Fuchs. Das Musikvideo aus dem Jahr 2009 verkörpere für sie den märchenhaften Aspekt von junger Liebe, den sich Frauen und Mädchen in jedem Alter wünschen. Neu gekauft hat die 26-Jährige lediglich ein Blumenkorsett. „Ich habe mir erst gedacht, dass ein Glitzerfransenkleid auch cool wäre, aber ich wollte die Umwelt nicht zusätzlich unnötig belasten.“

Lena Luisa Fuchs hat ihr „Love Story“-Outfit primär aus Teilen aus ihrem Kleiderschrank zusammengestellt
Lena Luisa Fuchs hat ihr „Love Story“-Outfit primär aus Teilen aus ihrem Kleiderschrank zusammengestellt © Privat