Als Thomas Friedrich als kleiner Bub zum ersten Mal in seinem Leben einen Stör sieht, kommt er aus dem Staunen nicht mehr heraus: So urzeitlich sehen diese Wesen aus, mit der eigentümlichen Schnauze, der assymetrischen Schwanzflosse, dem langen Körper. Er spart sein Taschengeld zusammen, damit er sich ein Aquarium mit Stören in sein Kinderzimmer stellen kann. Als Teenie gräbt er im Garten seiner Eltern einen Teich: mehr Platz für seine Lieblingsfische, schließlich können sie bis zu drei Meter lang werden. Kein Wunder also, dass Thomas Friedrich als Erwachsener nur eine Mission hat: Die Störe in Österreich retten und in die Donau zurückbringen.

Thomas Friedrich hat sich dem Stör verschrieben
Thomas Friedrich hat sich dem Stör verschrieben © Moser

„Sie sind die am stärksten bedrohten Tiere auf der ganzen Welt“, sagt der Forscher vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. Er steht vor einem 13.000-Liter-Aquarium im Haus des Meeres. Es hat neue Bewohner: In ihm schwimmen 43 Baby-Störe. Sterlets, eine der kleineren Störarten.

Zwei der sechs in der Donau ursprünglich vertretenen Störarten sind bereits ausgestorben. Die vier anderen – Sterlet, Waxdick, Sternhausen und Hausen – sind stark gefährdet.

Wilderei wegen des Kaviars

Hinter der Gefährdung steckt der Kaviar. Denn die „echte“ Delikatesse kommt vom Stör, entlang der Donau wütet die Wilderei. „Wilderei klingt so exotisch, aber die gibt es auch in Europa, nicht weit von Österreich.“ Vor allem in Fischerdörfern entlang des Flusses unter anderen in Rumänien, Bulgarien und in der Ukraine sind die Bewohner oft so arm, dass sie sich nicht anders zu helfen wissen. „Ein großer Stör ist da ein Jackpot“, sagt Friedrich. Ein Fisch kann mehrere 10.000 Euro wert sein. Aber auch die Verbauung der Wanderrouten an der Donau durch Wasserkraftwerke und Flussbegradigungen haben den Stör in seine missliche Lage verbracht.

In der Donau werden Fische ausgesetzt
In der Donau werden Fische ausgesetzt © Moser

Das Aquarium im Haus des Meeres soll Teil der Lösung des Problems sein. Es gehört zu einem EU-weiten Projekt namens „LIFE-Boat 4 Sturgeon“. Das Ziel: Bis zum Jahr 2030 mehr als 1,5 Millionen Jungfische im Donauraum aussetzen. Gleichzeitig arbeitet man mit Organisationen wie WWF zusammen, um mit Kontrollen und Aufklärung gegen die Wilderei vorzugehen. Die im Haus des Meeres lebenden Sterlets sollen künftig als Muttertiere für tausende Jungfische sorgen, die in Donauwasser heranwachsen und in der Oberen und Mittleren Donau, sowie March und Mur ausgewildert werden. Sie sind farblich markiert und gechipt. Bis zur Geschlechtsreife dauert es drei bis vier Jahre, sagt Friedrich.

Das Aquarium in Wien
Das Aquarium in Wien © Moser

Er ist zuversichtlich. Schon bisher haben er und sein Team an verschiedenen Standorten an der Donau an die 200.000 Jung-Sterlets gezüchtet. Seit letztem Jahr ist man dabei, den Bestand der Muttertiere aufzubauen. Dafür sucht man in der Donau aber auch auf Fischfarmen nach Stören, nimmt Genproben und schaut, welche Tiere genetisch zur Donau passen. Dann wird nachgezüchtet und geschaut, dass die Population möglichst divers ist und sich zum Beispiel nicht nur Geschwistertiere untereinander vermehren. Dabei hilft auch ein Zuchtbuch. Im Rahmen des Zuchtprogramms kann es auch schon einmal vorkommen, dass Friedrich 20 Stunden mit einem Fisch im Gepäck nach Rumänien fährt.

Das Team züchtet derzeit in einem Container etwa 200 Meter flussabwärts der Wiener Reichsbrücke. Bald soll dort auch ein Aufzuchtschiff stehen, ab März 2025 können es Interessierte besuchen. Die „Mission Stör“ müsste aber auch nach 2030 weitergehen, sagt Friedrich. Damit die Population nachhaltig aufgebaut werden kann.