Jerusalem, 15. Juli 1149. In der Grabeskirche feiern die Menschen: Vor 50 Jahren haben die Kreuzritter die muslimische Herrschaft beendet und das neue Königreich ausgerufen. Hier, wo Jesus sein Grab gefunden haben soll, wird am Jubiläumstag ein neues Kunstwerk eingeweiht: ein gigantischer Hochaltar. Im Lauf der Geschichte sollte er Pilger immer wieder so sehr beeindrucken, dass sie in ihren Berichten davon schwärmen – im 16., im 17. und im 18. Jahrhundert. Doch dann wird es still um das Kunstwerk. Ein Feuer wütet 1808 in der Kirche, der Altar scheint endgültig verschwunden.

875 Jahre nach der Einweihung kann es Ilya Berkovich immer noch nicht fassen: Gemeinsam mit dem Bezirksarchäologen Amit Re’em von der Israelischen Behörde für Altertümer hat der Historiker von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften den Altar wiederentdeckt. Und zwar direkt vor der Nase aller Forscherinnen und Touristen, mitten in der Kirche.

Forscher Ilya Berkovich
Forscher Ilya Berkovich © Privat

Bei Umbauarbeiten sind die Forscher darauf gestoßen. „In der Grabeskirche ist so etwas wie ein Steinsalat. Beim Sortieren ist eine Steinplatte aufgefallen“, erzählt Berkovich. Sie lehnte an der Seite eines Kirchenkorridors, mit der Rückseite nach außen. Touristen hatten sich darauf mit Graffitis verewigt. „Die Kirche ist eines der besterforschten Gebäude der Welt. Niemand hat erwartet, hier noch etwas zu entdecken. Es ist phänomenal.“

Beweis für Verbindung zwischen Rom und Jerusalem

Bei dem Fund handelt es sich um den „allergrößten mittelalterlichen Altar, den wir kennen“, er ist 3,5 Meter breit. Mit Ornamenten aus präzise zusammengelegten und damals sehr kostbaren Marmorstückchen wurde die Platte verziert. „Nur römische Meister haben diese Kunstform namens Komatesk ausgeführt.“ Was wiederum bedeutet, dass der Papst persönlich einen seiner Meister schickte, um den Altar zu gestalten, damit stellte er eine Art weltlichen Anspruch auf die Christenheit, der Altar ist Beweis einer bisher unbekannten Verbindung zwischen Rom und Jerusalem.

Der Altar war damals mit prächtigen Marmorornamenten verziert
Der Altar war damals mit prächtigen Marmorornamenten verziert © Israel Antiquities Authority
Auf der Rückseite des Altars haben sich Touristen mit Graffiti verewigt
Auf der Rückseite des Altars haben sich Touristen mit Graffiti verewigt © Israel Antiquities Authority

Berkovich will nun in den päpstlichen Archiven noch mehr herausfinden. Schon einmal haben er und Re’em eine ähnliche Entdeckung gemacht. Im Abendmahlsaal fanden sie gotische Skulpturen: „Da hat auch keiner gedacht, dass noch etwas unentdeckt ist.“ Aber, hält Berkovich fest: „Der Altar ist unsere größte Entdeckung.“

So könnte der ALtar augesehen haben
So könnte der ALtar augesehen haben © Berkovich, Re’em