Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen die „Letzte Generation“ ist nun ein weiterer Vorwurf gegen die Klimaschutzbewegung publik geworden. Die Behörde hat ein Verfahren wegen des Verdachts der Verleumdung gegen drei Aktivistinnen der Gruppe eingeleitet, nachdem ein entsprechender Anfallsbericht Anfang April eingegangen ist, bestätigte Sprecherin Nina Bussek der APA. Die Frauen hatten sich über ihre Behandlung in Polizeigewahrsam beschwert.

Kein Essen und Kontakt zu Anwalt verwehrt

Der neue Ermittlungsstrang dürfte eine Reaktion der Landespolizeidirektion (LPD) auf das entsprechende Rechtsmittel der drei Frauen gegen die Vorfälle im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) am 22. November 2023 sein. Die Polizei soll demnach den nun beschuldigten Aktivistinnen damals nach einer Protestaktion den Kontakt zu ihrem Anwalt verwehrt und ihnen über zehn Stunden lang kein Essen gegeben haben. Im Jänner wandten sich die drei Frauen daraufhin an das Landesverwaltungsgericht mit einer Maßnahmenbeschwerde, die auch der APA vorliegt.

Jene Beschwerde löste nach Prüfung durch die Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe (EBM) im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) auch strafrechtliche Ermittlungen gegen die handelnden Beamtinnen und Beamten wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs aus. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch wieder ein. Die LPD erstattete daraufhin einen Bericht wegen Verdacht auf Verleumdung an die Anklagebehörde. Das Verfahren ist dabei nur ein Nebenstrang der noch laufenden Ermittlungen wegen des Verdachts der kriminellen Vereinigung, der Sachbeschädigung und der schweren Sachbeschädigung gegen 38 Beschuldigte (Stand März 2024). Die wegen der Vorfälle im Polizeianhaltezentrum eingebrachte Maßnahmenbeschwerde wird indessen am 25. Juni am Verwaltungsgericht Wien verhandelt.

Kritik am Vorgehen der Polizei

Dass der Sachverhalt der Beschwerde nun Thema des Verleumdungsverfahrens gegen die drei Aktivistinnen ist, bestätigte der APA Rechtsanwalt Clemens Lahner mit Verweis auf seine Einsichtnahme in den Akt. Der Jurist nahm die Polizei in diesem Zusammenhang in die Kritik. Es sei „das gute Recht jedes Menschen“, sich über eine polizeiliche Amtshandlung zu beschweren. „Alleine schon wegen der Verfahrenskosten wird man sich vorher zweimal überlegen, ob man die Vorwürfe auch beweisen kann“, sagte Lahner, der die Aktivistinnen vertritt. „Dass die LPD Wien jetzt als Reaktion auf unsere Beschwerde über Haftdauer und Haftbedingungen gleich laut ‚Verleumdung‘ schreit, anstatt die Sache ordentlich zu untersuchen, sagt einiges über die unterentwickelte Fehlerkultur innerhalb der Polizei aus.“

„Wollen uns mundtot machen“

Auch die „Letzte Generation“ nahm die Vorgänge zum Anlass für Kritik. Die Behörden würden versuchen, die Aktivistinnen und Aktivisten mit strafrechtlichen Anschuldigungen „mundtot zu machen“, hieß es. „Und das alles nur, weil wir uns für ein Recht auf Überleben einsetzen“, erklärte Pressesprecherin Marina Hagen-Canaval, selbst Beschuldigte im Verleumdungsverfahren. „Anstatt sich in aussichtslosen, rechtlichen Drohgebärden gegen uns zu verlieren, sollte die Polizei mit uns für wirksamen Klimaschutz einstehen“, so Hagen-Canaval.

Die LPD betonte am Dienstagvormittag auf APA-Anfrage, dass es sich in „den konkreten Fällen“ um laufende Verfahren handle, deren „Ausgang abzuwarten“ sei. Grundsätzlich werde jedoch bei Anfangsverdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet, hieß es. Die Pressestelle verwies in diesem Zusammenhang nochmals auf die Definition von Paragraf StGB 297 (Verleumdung). Die Frage, ob derartige Anzeigen nach Maßnahmenbeschwerden Routinevorgänge seien, beantwortete die Landespolizeidirektion jedoch nicht.