Für kurze Aufregung sorgte am Freitag die Flucht eines mutmaßlichen IS-Terroristen bei einem Krankenhausbesuch. Wenige Stunden später wurde er von der Polizei aufgegriffen und wieder in die Justizanstalt gebracht. Doch seither gehen die politischen Wogen hoch und es stellt sich die Frage: Warum gelingt es derzeit immer wieder Häftlingen zu entkommen?

Zadić lockerte Vorkehrungen

Die FPÖ macht Justizministerin Alma Zadić (Grüne) dafür verantwortlich und fordert ihren Rücktritt. Der Grund: Zadić hatte im Jänner eine Sicherheitsverordnung gelockert, die vorschreibt, dass jedem Häftling beim Transport die Hände hinter den Armen gefesselt werden müssen. „Die grüne Kuscheljustiz unter Ministerin Zadić muss nun rasch ein Ende finden, bevor noch etwas Schlimmes passiert. Da diese Ministerin die Gefängnisse einfach nicht unter Kontrolle hat, muss sie zurücktreten“, meinte etwa FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung am Wochenende.

Das Justizministerium bestreitet jedoch, dass der konkrete Fall auf diese Lockerung zurückzuführen ist. Der Häftling, der von Wiener Neustadt in die Justizanstalt Josefstadt und von dort in ein Krankenhaus überstellt wurde, täuschte einen epileptischen Anfall vor. Als er daraufhin zur weiteren Untersuchung auf eine Normalstation verlegt wurde, griff er den einzigen Beamten, der ihn bewachen sollte, an und flüchtete.

„Diese bedenkliche Pannenserie wird nun hochgefährlich. Nicht nur, dass sich Islamisten in den Haftanstalten ungehindert per Telefon verständigen und ihr terroristisches Treiben organisieren können, ist es mehr als leicht, die Flucht ergreifen zu können“, bemerkte FPÖ-Generalsekretär Schnedlitz. Die Justizanstalten seien „übervoll“, die Justizwache „sehr überlastet sowie personell, infrastrukturell und finanziell ziemlich ausgedünnt“. Für den freiheitlichen Nationalratsabgeordneten Christian Lausch, selbst Justizwachebeamter, ist Zadić „ein Sicherheitsrisiko“. Dass „ein Gefährder“ (gemeint: der Terrorverdächtige Mahdy C., Anm.) zu einer ärztlichen Untersuchung in eine öffentliche Ambulanz ausgeführt werde, sei zu hinterfragen. Außerdem habe Zadić „ohne Grund die im letzten November veranlassten Sicherheitsanordnungen – die Rückenfesselung und den Bauchgurt –, die nach der Pannenserie im vergangenen Jahr erlassen wurden, Anfang Jänner wieder aufgehoben“, berichtete Lausch.

Gewerkschaft beklagt Personalnot

Das Justizministerium und der Gewerkschaftsvertreter Albin Simma sprechen von „menschlichem Versagen“. „Teilweise wurden die Bestimmungen in diesem Bereich gelockert, aber es wäre nach wie vor möglich, Häftlinge mit den Armen auf dem Rücken oder mit einem Bauchgurt zu fesseln“, so Simma gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.

Auch aus dem Ressort von Zadić heißt es, dass in diesem konkreten Fall eine Fesselung notwendig gewesen wäre. Simma macht auch Personalprobleme für den Vorfall verantwortlich – ein Beamter sei definitiv zu wenig für einen Häftling. Überinterpretieren will Simma den Vorfall aber nicht: Insgesamt gebe es 40.000 Eskorten pro Jahr, Zwischenfälle seien selten.

Die Generaldirektion für den Strafvollzug hatte im vergangenen Herbst angesichts gehäufter Fluchtversuche den Justizanstalten die Anweisung erteilt, bei medizinischen Eskorten in Zukunft Häftlingen die Arme hinter dem Körper zu fesseln. Weiters wurden die Justizanstalten darauf hingewiesen, externe medizinische Termine in Spitälern mit Häftlingen seien bis auf Weiteres nur unter besonderen Vorkehrungen durchzuführen.