„Hätte sie überlebt, hätte sie sicher ihr Verhalten geändert“, meint ein Twitter-Nutzer. Er bezieht sich auf Eliza Fletcher, eine junge Frau, die kürzlich im US-Amerikanischen Memphis entführt worden ist. Tage später wurde ihre Leiche gefunden. Sie hinterlässt einen Ehemann und zwei Kinder. 

So manch ein Mensch wird sich jetzt fragen: Ihr Verhalten? Ja, was hat sie denn gemacht? Die Antwort ist simpel. Eliza Fletcher war joggen. Um 4 Uhr in der Früh. So wie viele andere Menschen das praktizieren. Fletcher war die Enkelin eines verstorbenen Milliardärs, was eines der Motive für die Tat sein könnte - offiziell bestätigt wurde das zunächst aber nicht. Unabhängig von den offenen Fragen zum Fall handeln viele ihre tragische Geschichte nun als „warnendes Beispiel“ für andere Frauen und übersehen dabei das eigentliche Problem

Gut gemeinte Tipps?

Denn der Tipp, nicht um 4 Uhr früh laufen zu gehen, reiht sich in eine Reihe weiterer Empfehlungen ein, die die Gesellschaft Frauen beim Sport nahelegt. So solle man nie ohne Handy laufen, dafür ohne Kopfhörer, aber am besten mit dem Hausschlüssel zwischen den Fingern. (When you know, you know.) Und überhaupt müsse man die Laufstrecke regelmäßig wechseln und immer zu unterschiedlichen Tageszeiten trainieren - aber wie gesagt, auf keinen Fall um 4 Uhr früh.

Sarkasmus beiseite. Bitte nicht falsch verstehen: Wenn sich eine Frau dank dieser Tipps tatsächlich sicherer fühlt, ist das großartig. Kritisch ist die Tatsache, dass sich nach Übergriffen und Tragödien die Debatte immer wieder um das Gleiche dreht: Frauen und wie sie sich schützen könnten. Oder noch schlimmer: Frauen und was sie nicht alles falsch gemacht hätten. Dabei ist die Problematik ja eine andere: Täter, die eine Frau, die im öffentlichen Raum ihrem Hobby nachgeht, als "Einladung" sehen - als "Einladung", sie anzuhupen, zu pfeifen, ihr Obszönitäten nachzurufen. Und wie diverse Beispiele zeigen, schrecken Täter auch vor körperlicher Gewalt und Mord nicht zurück.

Auch hierzulande ein Problem

Übergriffe auf sportelnde Frauen sind kein Ding der weiten Ferne. Sie passieren auch hierzulande, sehr oft in Form von sexueller Belästigung. Wobei nein, sie "passieren" nicht einfach so. Menschen werden dabei aktiv zum Täter. Und das nicht nur um 4 Uhr früh, sondern auch bei strahlendem Sonnenschein. Tatsächlich sind Übergriffe unabhängig von Wetterlage, Jahreszeit, Sportart, Outfit, Ausrüstung und Mondphase. Der einzige gemeinsame Nenner hier ist der Mensch, der zum Täter wird. Und genau da muss die Debatte ansetzen. Wir müssen darüber diskutieren, wie Täter und potenzielle Täter ihr Verhalten ändern und wie wir als Gesellschaft solche Übergriffe verhindern können. Es ist eine schweißtreibende Debatte, ja ein Marathonlauf. Aber wir müssen sie angehen.