Hinweis: Dieser Text ist ursprünglich bei Futter, dem jungen Magazin der Kleinen Zeitung, erschienen.
Immer mehr Menschen entdecken eine vegetarische oder vegane Ernährung für sich. Laut einer Statistik lag der Anteil der Vegetarierer und Veganer in Österreich im Jahr 2017 noch bei 5,7 Prozent, Anfang 2021 waren es bereits rund 11 Prozent. Kein Wunder: Es wird einem immer einfacher gemacht, kein Fleisch zu essen. Der Markt fleischloser Lebensmittel boomt, in den Supermärkten finden sich mittlerweile unzählige Alternativprodukte. Und in Wien gibt es mittlerweile die erste vegane "Fleischerei".
Österreichs erste vegane "Fleischerei"
Unter dem Namen "Fleischloserei" betreibt Silke Bernhardt die erste vegane "Fleischerei" Österreichs. Vorstellen kann man sich das Ganze wie einen Feinkostladen — nur, dass einem aus der Theke statt Fleisch vegane Schnitt"wurst", "Weißvürste", Seitan-Steaks, "Vaschiertes", pflanzliches Schmalz und viele andere Leckereien entgegenlachen.
Frisch hergestellt wird all das von Bernhardt selbst. Sie betreibt den kleinen Laden in der Josefstadt, der im Grunde eine Folge der Corona-Pandemie war. "Bis vor kurzem war ich selbstständige Fotografin. Während der Pandemie musste ich allerdings feststellen, dass das Fotografieren keine 'systemrelevante Sparte' ist. Die Aufträge sind massiv zurückgegangen, ich war gezwungen, mir etwas Neues zu überlegen. Da hatte ich plötzlich die Idee von einer fleischlosen Fleischerei."
Von der Idee waren sie und ihr Partner so begeistert, dass sie diese spaßhalber immer weiter gesponnen haben — bis sie plötzlich konkret wurde. "Jetzt stehe ich hier in meinem eigenen Geschäft und verkaufe vegane Würste", lacht die ehemalige Fotografin.
"Ich tüftele herum, bis ich restlos zufrieden bin"
Seit mehr als sechs Jahren lebt Bernhardt fleischlos, seit einigen Monaten sogar komplett vegan. Sie sagt: "Es klingt vielleicht seltsam, aber ich bin überzeugt davon, dass der Stress, der den Tieren bei der Schlachtung hinzugefügt wird, ins Fleisch übergeht, welches wir dann essen. Der Stress, die Angst, diese negativen Energien: Das möchte ich nicht zu mir nehmen."
Als Genussmensch — das sagt Bernhardt über sich selbst — hat sie sich über die Jahre hinweg viel Wissen dazu angeeignet, wie es sich auch ohne Fleisch gut kochen lässt. Geht es an die Entwicklung neuer Produkte, orientiert sie sich zunächst an "richtigen" Fleischhauern und an den von ihnen verwendeten Zutaten. "Dann probiere ich aus, lasse Freunde und Familie kosten, tüftle herum, bis ich restlos damit zufrieden bin. Dann wandert das neue Produkt in die Vitrine."
Der Arbeitsalltag einer veganen "Fleischhauerin"
Den Großteil seiner Produkte selbst herzustellen, bringt oft lange Arbeitstage mit sich. "Ich stehe sehr früh auf und fahre mit der U-Bahn ins Geschäft — lange bevor es aufsperrt — um vorzuproduzieren." Weil sich frische Ware nicht allzu lange hält und das Sortiment umfangreich ist, stellt Bernhardt ihre Produkte mehrmals in der Woche frisch her.
Zu ihrem Job gehört neben der Herstellung und administrativen Tätigkeiten aber natürlich auch das Verkaufen. „Das ist eine der schönsten Dinge an dieser Arbeit: Der direkte Kontakt mit den Menschen“, schwärmt sie. "Am Vormittag ist meist noch nicht so viel los, aber ab Mittag geht es dann oft ziemlich rund."
Dauerbrenner vegane Lebenkässemmel
Obwohl die "Fleischloserei" erst vergangenen Sommer geöffnet hat, gibt es bereits einen Kundenliebling: die vegane Lebenkässemmel. Und nein, hier hat sich kein Rechtschreibfehler eingeschlichen: "Der Leberkäs heißt bei uns 'Lebenkäs' und wird aus Tofu gemacht." Warum sich das Produkt so gut verkauft? Bernhardt: "Das liegt wohl daran, dass das für alle irgendwie interessant ist. Für Veganer sowieso, aber es kommen auch viele Fleischesser her und wollen das probieren."
Neben den eigens hergestellten Produkten werden in der Fleischloserei aber auch welche von anderen Erzeugern angeboten: beispielsweise vegane Camembert-Alternativen aus Niederösterreich, steirische Pasteten oder veganer Senf und Grillsaucen aus dem Weinviertel. Die Fleischloserei hat übrigens mittlerweile auch einen eigenen Online-Shop, über den die Fleischalternativen direkt nach Hause bestellt werden können.
Claire Herrmann