Sie sind nicht mehr zu übersehen: An allen Ecken und Enden des Landes brechen sie nun auf, die knallgelben Knospen der Forsythien. Mit ihrer sonnigen, fast präpotenten Üppigkeit setzen sie den lang ersehnten Kontrapunkt zum wolkenverhangenen Grau dieser Zeit. Hoffen wir, dass der erste Frühlingstag heute auch sein blaues Band durch die Lüfte flattern lässt…
Sie waren nicht zu überhören: Ihre Sorgen hinweg singen wollten gestern rund 45.000 Fans im Wiener Ernst Happel-Stadion. Unterm gelb-blauen Scheinwerferlicht gab sich die Crème de la Crème des Austropop ein Stelldichein, um im zehnstündigen Benefizkonzert Spenden für die Ukraine zu lukrieren. Angesichts von Klimazerstörung, Pandemie und Krieg „sollten wir jetzt Energie und Nächstenliebe spenden“, riefen Pizzera und Jaus trotzig ins unmaskierte Publikum. Mit ihrer überraschenden A-Capella-Version von „Die Gedanken sind frei“ gelang dies ebenso wie in der Friedensrede Alexander van der Bellens, der mit „Alex, Alex“-Sprechchören kurzzeitig vom Bundespräsidenten zum Popstar befördert wurde.
Die Freude über diese Hilfsaktion und die landesweite Einsatzbereitschaft für Flüchtlinge und Kriegsopfer hat den Ärger über die Teuerungswelle zumindest vorübergehend überlagert. Eine kleine Schonfrist für die Regierung, die der gigantischen Inflationsrate zum Trotz ihre hoch angetragenen Krisengipfel bislang ergebnislos verstreichen ließ. Doch heute wollen Finanzminister Magnus Brunner und Umweltministerin Eleonore Gewessler endlich Nägel mit Köpfen machen und einen Aktionsplan gegen die Preisexplosion bei Energie vorstellen. Ob die Maßnahmen sofortige Entlastung bringen, muss sich erst weisen, begnügte man sich doch bis dato mit Scheingefechten: Dass Justizministerin Alma Zadic zusätzlich zur bereits angerufenen Wettbewerbsbehörde auch noch den Kartellanwalt gegen die Mineralölkonzerne ins Rennen schickt, lässt sich unter Showpolitik verbuchen – bis zum Abschluss der Ermittlungen vergehen noch etliche Wochen, in denen die Autofahrer weiter ungebremst zur Kasse gebeten werden.
Auch in der Corona-Krise stolpern wir ins nächste Desaster, das Spitäler und Pflegepersonal erneut an ihre Belastungsgrenzen bringt. Schon nach wenigen Tagen im Amt hat sich der neue Gesundheitsminister in eine ähnlich verfahrene Lage verstrickt wie seine Vorgänger kurz vor deren Scheitern. Die Wiedereinführung der Maskenpflicht, die erst Mitte der Woche durch Verordnung geregelt werden soll, trifft wohl wieder auf rückläufige Infektionszahlen – weitreichendes Unverständnis ist vorprogrammiert. Die Mehrheit der Bevölkerung ist Corona-müde und des ständigen Zick-Zack-Kurses überdrüssig. Außerdem sieht sich der oberste Pandemiebekämpfer neuen Fronten gegenüber: Die brüskierten Experten der Gecko-Kommission werden die Entscheidungen der Politik nicht mehr widerspruchslos mittragen. Und im schwelenden Konflikt mit der Stadt Wien wegen der Lockerungen und dem Auslaufen des Testregimes droht die Akzeptanz in der Bevölkerung weiter verschütt zu gehen.
Die dichten Wolken werden bleiben, allem Frühlingserwachen zum Trotz, fürchtet