Es gibt jeden Grund, nervös zu sein. Ein einziger Tweet des Präsidenten reichte, um die Machtkonstellation im Mittleren Osten zu verändern. Mit dem nächsten Gezwitscher könnte er den Rückzug aus der NATO bekannt geben. Wer das nicht glaubt, soll das Rücktrittsschreiben des Vier-Sterne-Generals an der Spitze des Pentagon lesen.
Weil Mattis aus schmerzhafter Erfahrung weiß, wie Trump tickt, hat er seine Mission aufgegeben, die USA und deren Alliierten vor dem Schlimmsten zu bewahren. Der Präsident hört mehr auf seinen falschen Freund in Moskau als auf den Rat seines gesamten nationalen Sicherheitsapparats.
Selbst wenn Trump keine Marionette Putins ist, verhält er sich kaum anders. Seine einsame Entscheidung, die USA aus Syrien ganz und aus Afghanistan teilweise zurückzuziehen, stand ganz oben auf dem strategischen Wunschzettel des Kreml. Dadurch degradiert der US-Präsident die Supermacht zu einem Zuschauer im Mittleren Osten und am Hindukusch, während Russland die Rolle des Spielmachers einnimmt.
Mattis macht sich spätestens seit einer geheimen Strategiesitzung im Lageraum des Pentagon Mitte vergangenen Jahres keine Illusionen über die Differenzen mit der Weltsicht des „Amerika-Zuerst“-Präsidenten. Als er Trump zu erklären versuchte, was die Vorzüge der Nachkriegs-Ordnung mit ihrem Netzwerks aus Bündnissen und internationalen Organisationen seien, zuckte dieser bloß mit den Schultern.
Trump schwebt eine hochgerüstete Festung Amerika vor, die sich in jeder Beziehung vom Rest der Welt abschottet. Beim Handel, bei der Zuwanderung und der Sicherheit. Isolationismus statt Intervention. Außenpolitik als Nullsummen-Spiel. Richtig ist in Trumps Augen, was die USA reicher macht. Wer etwas von der Supermacht will, muss ihr etwas geben.
Der Paradigmenwechsel deutete sich mit dem Eklat beim G-7-Treffen, dem Mobbing der Bündnispartner beim NATO-Treffen, der Aufwertung von Diktatoren wie Kim Jong-Un und der Nonchalance gegenüber dem mutmaßlichen Auftraggeber des Mordes an dem saudischen Regimekritiker Jamal Kashoggi bereits an.
Ein ums andere Mal räumte Mattis bei den Alliierten hinter Trump auf. Mit ihm geht nun der letzte der sogenannten „Erwachsenen“. Als Ersten hatte Trump seinen Außenminister Rex Tillerson gefeuert. Dann folgte der Nationale Sicherheitsberater McMaster und kürzlich drängte der Präsident seinen Stabschef John Kelly in den Ruhestand.
„Mad Dog“ Mattis ließ es nicht dazu kommen, der Nächste zu sein. Erhobenen Hauptes räumte er selbst das Feld und nutzte seinen Abgang für eine letzte, eindringliche Warnung: Dieser Präsident meint, was er sagt. Er knickt vor Autokraten und Diktatoren ein, statt die Prinzipien der freien Welt hochzuhalten. Die Nachkriegsordnung, die sieben Jahrzehnte Freiheit und Wohlstand brachte, ist vielleicht nur noch einen Tweet von ihrem Ende entfernt.