Den Mindestlohn einführen und den Pflegeregress abschaffen. RotSchwarz lädt vor Betriebsschließung zum politischen Sommerschlussverkauf. Was leicht geht und sich mit einem Pickerl in die Auslage stellen lässt, wird noch rasch erledigt. Zahlen wird’s die nächste Regierung. Oder die Superreichen. Oder das Budget. „Über das Budget finanzieren“: Klingt schön abstrakt. Danke, Budget!
Das Arbeitszeit-Korsett lockern, damit es die Betriebe nicht einschnürt? Später. Vielleicht. Die Gewerkschaft regiert, nicht die Regierung.
Ein austariertes, sozial abgefedertes Polizzen-System erarbeiten, um Pflege langfristig finanzierbar zu machen? Zu komplex. Zu unpopulär. Zu neoliberal. Lieber alles freigeben! In naher Zukunft dreimal so viele 85-Jährige? Große Koalition für die großen Probleme? Nicht jetzt.
Die Pensionisten und deren Kinder, die jetzt ohne Abstriche erben dürfen, ohne mit lästigen Fragen familiärer oder moralischer Fürsorgepflicht behelligt zu werden, werden sich hoffentlich erkenntlich zeigen!

Der Regress ist weg, das Problem bleibt da, und alle jubeln. Warum eigentlich und worüber? Dass der Staat alles richtet?
Hannes Androsch hat einmal einen klugen Lehrsatz formuliert: so viel Eigenverantwortung wie möglich und so viel Staat wie notwendig. Nur Staat und Vollkasko für jene, die wenig haben und der Hilfe des Kollektivs bedürfen. Nur Eigenverantwortung bei jenen, die dazu in der Lage sind. Und für die breite Mitte einen Mischregler.
Mit dem ersatzlosen Wegfall des Regresses fallen auch diese sozialpolitischen Grundpfeiler weg. Die Frage nach der Vermessung des Verhältnisses zwischen Eigenleistung (des Betroffenen, seiner Familie) und staatlicher Fürsorge wird erst gar nicht gestellt. Natürlich ist es unschön, wenn der Staat ein neues Zuhause zahlt, indem er auf das alte zugreift. Das müsste er nicht tun, wenn es ein Vorsorge-Modell gäbe, wo jeder für sich zugeschnitten eine Art Business-Plan für sein Leben und dessen Fährnisse erstellt.

So aber lässt der Staat ersatzlos die Finger vom Regress. Er löst nichts. Er verzichtet darauf, die Möglichkeiten des Betroffenen und seiner Erben zu prüfen. Er müsste nicht Pfänder spielen, er könnte Erbschaften gestaffelt besteuern und damit zweckgebunden bis zum Wirksamwerden eines Vorsorge-Modells die Pflege finanzieren. Stattdessen trägt der Staat die Last allein. Er nimmt sie den Familien ab, auch wohlhabenden. Er entpflichtet sie zur Gänze.

Das ist eine sozialpolitische und budgetäre Tollheit. Die Gönnerhaftigkeit wird eine Sogwirkung entfalten. Der Staat wird mit dem Bau von Pflegeheimen nicht mehr nachkommen. Die Kinder werden dem falschen Anreiz erliegen, der fortgesetzten Entpflichtung gehorchen und Väter und Mütter vermehrt den Heimen überantworten. Der Staat erklärt die Nachkommen für unzuständig. So gesehen ist das, was beschlossen wurde, Sinnbild für eine gesellschaftliche Entwicklung, die das, was Familie einmal hieß, entkernt.