Womöglich war es Kalkül. Es roch danach. Womöglich wollte der ORF, um günstigen Wind für die Erhöhung der Gebühren zu schaffen, der Politik rasch was Gutes tun. Erst öffnete er sein einziges Diskursformat „Im Zentrum“ den Klubchefs, obwohl die ohnehin ihr Parlament haben, um sich auszuleben. Dann räumte der Rundfunk am Vortag der Gebühren-Entscheidung auch noch den Hauptabend für die politische Klasse frei, vor allem für Kanzler und Vizekanzler. Beide sollten sich läuterungsbereit ins Bild rücken dürfen, indem sie dem Publikum Rede und Antwort stehen. „Bürgerforum“ hieß die geplante Gefälligkeit. Sie geriet für die Eingeladenen zur Falle und für den ORF zum Debakel.
Das Forum war kein Forum im neuzeitlichen Sinn, also ein Ort des zivilisierten Austausches von Ideen, sondern ein altrömischer Marktplatz mit zwei Stehpulten als Pranger. An diesen ließen sich Christian Kern und Reinhold Mitterlehner durch aufgebrachte Bürger stellen. Die, die das Wort ergriffen, waren in beängstigender Dichte keine Bürger im bürgerlichen Sinn, denn das Bürgerliche fühlt sich an die Tugend des Respekts gebunden. Es waren auch nicht „einfache Leute“. Sie mögen einfach sein, was das Ausschöpfen der Möglichkeiten des Lebens anlangt, aber sie kennen Anstand und Achtung. Davon war bei jenen, die über Kanzler und Vizekanzler ihren Ekel abluden, nichts zu spüren. Beiden schlug blanke Aggression entgegen, eingebettet in ein pauschales Verächtlichmachen von Politik und Politikern.