Ohne zwingenden Grund exponiert sich Sebastian Kurz am EU-Parkett. Sein Beharren auf der Unterbrechung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist ein riskanter Poker. Denn die strittige Erklärung der EU-Außenminister zur Erweiterung ist eine Routineübung. Selbst wenn die EU grundsätzlich bei den Gesprächen mit Ankara bleibt, gibt es dabei noch lange keine Fortschritte. Rentiert es sich also, die Türkei und die EU-Kollegen jetzt vor den Kopf zu stoßen? Natürlich hat Kurz inhaltlich recht: Die Türkei driftet politisch rasant von Europa weg. Staatschef Erdogan verfolgt seinen Weg zur totalen Macht per Präsidialsystem konsequent und gnadenlos. Die Massenverhaftungen, die Gängelung der Justiz, der Krieg gegen die Kurden, die Koketterie mit der Todesstrafe – all das lässt einen Beitritt als völlig abwegig erscheinen.
Wolfgang Tucek