Als pensionierter Arzt bin ich vom aktiven Mediziner (Pathologen) zum Patienten konvertiert und sehe besonders deutlich zwei Nachteile auf mich zukommen:
1. In den Ambulanzen der Krankenkassen hört sich die freie Arztwahl auf. Auf eine/n Arzt/Ärztin, der/die meine Krankengeschichte internalisiert hat und alle meine Schwächen und Stärken kennt, werde ich nicht mehr zugreifen können. Das ungeheuer wichtige Vertrauensverhältnis Arzt – Patient wird stark gestört, wenn nicht vollkommen zerstört werden (was andererseits der anonymen Macht der Kassen durchaus förderlich sein wird).
2. Die in unserem Gesundheitssystem seit jeher schwache und immer noch mangelhafte Qualitätskontrolle wird sich wieder verschlechtern, denn ohne aktive Mitarbeit der Ärzte wird diese nicht funktionieren. Zu meiner aktiven Zeit gab es z.B. zwei Gynäkologen, die Krebsabstriche mit der GKK zwar verrechnet, aber nicht befundet hatten! Aufgedeckt wurde diese Sauerei durch ärztliche Selbstkontrolle; der GKK ist dieser Missstand nicht aufgefallen. Solche Missstände könnten sich häufen, befürchtet Ihr Leser
Dr. Hans Peter Dinges, Klagenfurt
Kammer reformieren
Früher haben die Arbeiterinnen und Arbeiter gestreikt, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Heute streiken fast nur noch Ärzte (und Piloten). Sie sind selbständige UnternehmerInnen und gehören zu den bestverdienendsten Gruppen des Landes.
Krankenkassen werden durch Beiträge der Versicherten finanziert. Viel zu wenige PatientInnen können sich an politischen Entscheidungen beteiligen. Ärzte sind nur deshalb in der Lage zu behaupten, sie kämpfen für das Interesse der PatientInnen, weil die Interessen der Patientinnen nicht mit einer starken Vertretung durchgesetzt werden. Dass sie für mein Interesse als Versicherte und Patientin streiken, nehme ich ihnen nicht ab. Die Ärztekammer bemächtigt sich eher der Patienten, um ihre eigenen Interessen zu verdecken.
Die Ärztekammer hat Reformbedarf. Viele Ärztinnen fühlen sich von ihr nicht vertreten. Interessenausgleich in einem Gemeinwesen heißt, alle, also auch PatientInnen, müssen vertreten sein, und nicht, eine Gruppe kann den anderen ihre Interessen aufzwingen.
Sylvia Groth, Frauengesundheitsaktivistin, Graz
Künftig: Hausärzte light
Entweder lügen sich die Entscheidungsträger in die eigene Tasche oder unterliegen sie einer groben Selbsttäuschung: Sie glauben nämlich, die Allgemeinmediziner zukünftiger Primärversorgungs-Einheiten etc. seien die erfahrenen Hausärzte, wie man sie sich so vorstellt. Aber die gehen alle in den nächsten fünf Jahren in Pension, ohne dieses Wissen in ihren Lehrpraxen weitergegeben zu haben. Die neuen jungen Hausärzte auf dem Schachbrett der Gesundheitspolitik kommen aber weiterhin mit einer schlechten „Ausbildung neu“ aus dem Spital und werden entweder die ökonomischen Erwartungen der Büro-Strategen nicht erfüllen können oder die Bevölkerung draußen nicht wirklich ganzheitlich bio-psycho-sozial versorgen. Appell an Landesrat Drexler: 300000 Euro Akutförderung für die jetzt noch verbliebenen Trainings-Ordinationen würden da für die Zukunft mehr erreichen als über 300 Millionen für die Neuaufstellung des Spitalsystems. Denn kluge Erstbehandlung und kreative Vernetzung und Arbeitsteilung sparen mehr Spitalsbetten ein, als am grünen Tisch für die grüne Wiese theoretisch geplante Versorgungsstrukturen.
Dr. Michael Wendler, noch Arzt für Allgemeinmedizin, Graz