Ich gebe zu, Brauchtumsveranstaltungen und Musikantenstadeln sind mir zunehmend ein Gräuel. Doch dann verdrücke ich mich auf der Fernbedienung und sehe zufällig im ORF "Chor der Chöre". Schüler und Absolventen einer weststeirischen Musikschule nennen sich "das VOK", singen und inszenieren Leonhard Cohens "Halleluja" auf eine Weise, wie ich es vorher nie gehört und gesehen habe: einfach grandios!
Ich sehe mir die Veranstaltung zu Ende an. Zu meinem Entsetzen gewinnt ein obersteirischer Chor in Dirndln und Lederhosen, wahrscheinlich ein musikalisch überdurchschnittlicher Brauchtums-Chor, den Wettbewerb. Ihre Zeitung nennt ihn den "Chor der Herzen", für mich ist es ein Chor der Schmerzen und sicherlich nicht der "Chor der Chöre". Vor allem nicht, weil es einen wirklich fantastischen Chor in diesem Wettbewerb gegeben hat.
Es ist in der Musik wie in der Politik. Populistische Kultur gewinnt gegen das Besondere. Populäre Volkskunst schlägt nach Volksbefragung unverwechselbare Kunst – als unreflektierter Nachweis für direkte Demokratie. Die Geschichte der Menschheit ist eine Kulturgeschichte, momentan auf tiefem Niveau.
Friedrich Giencke, Graz