Die Regierung einigt sich auf die „größte Strafrechtsreform der letzten 20 Jahre“ – und für mehr als 99 Prozent der Menschen in diesem Land bleibt alles beim Alten.

Diese Zahl, die man aus der letztjährigen Statistik des Innenministeriums zum Thema Internetkriminalität ableiten kann, legt nahe, dass die Regelungen für die Handyabnahme in Ermittlungsverfahren keine Angelegenheit ist, auf die die Massen gewartet haben. Weil es sie schlicht nicht unmittelbar betrifft oder je wird. Und trotzdem können sie wohl 99 Prozent gut finden – weil sich manche Dinge ändern, andere aber wiederum nicht. 

Die Antwort auf die wichtigste Frage ist übrigens ein klares Ja. Ja, Staatsanwaltschaften können auch künftig ordentlich gegen Verbrecherinnen und Verbrecher ermitteln. Die Abnahme eines Datenträgers muss zwar gerichtlich genehmigt werden und der Rahmen, welche Datenkategorie aus welchem Zeitraum ausgelesen werden soll, muss präzise definiert werden. Aber: Hier enden die Rechte der Ermittler nicht. Wenn es neue Verdachtsmomente oder nennenswerten Beifang gibt, kann man die angeforderte Datenmenge und den Zeitraum ausweiten, eine neuerliche Genehmigung holen und die Daten von einer Sicherungskopie ziehen. Verdunkelungs- und Schreddergefahr gebannt.

Das Stierln im höchstpersönlichen Lebensbereich, der auch Teil jedes Mobiltelefons ist, ist damit aber vorbei. Denn medizinische Akten und Kinderfotos sind künftig nur dann Bestandteil des Ermittlungsakts, wenn ein Gericht dies genehmigt hat. Aus guten Gründen. Durch diese Einschränkung – die man auch als Effizienzsteigerung vermarkten könnte – ist der ÖVP übrigens ein justizpolitischer Beifang gelungen. Wenn den geleakten Ermittlungsakten künftig die saftigen, aber letztlich völlig banalen Komponenten fehlen, fokussieren sich Medien in prominenten Justizfällen wieder auf die strafrechtlichen Kernbereiche: Untreue, Korruption, Amtsmissbrauch. Was bleibt, ist Verdachtsberichterstattung, die eine liberale Demokratie braucht, um nicht das rechtskräftige Urteil zum Maß aller Dinge zu machen. Gleichzeitig eine Verdachtsberichterstattung und Verfahren, die die Privatsphäre Betroffener schützen.

Die wirkliche Kritik an dieser Reform ist in der Breite übrigens keine inhaltliche: Es ist der Initiativantrag im Parlament, der den formalen Diskurs überspringt, es ist die Verzögerung der letzten Jahre – gerade, weil die ÖVP ein Zitierverbot aus Ermittlungsakten mit dieser Novelle verknüpfen wollte. Es ist Kritik daran, dass man diesen schon lange bestehenden Missstand auf politischer Ebene erst dann verstanden hat, als die eigenen Leute Gegenstand von Ermittlungen waren. Dass man das Thema schleifen ließ, bis im Dezember der Verfassungsgerichtshof als negativer Gesetzgeber auftreten musste und der Regierung eine Umsetzungsfrist nannte. Aber gut, für solche Anwürfe ist dann im Wahlkampf wieder genug Raum.