In der letzten Zeit gab es viel Aufregung um das mehr als 400 Seiten starke "Geständnis" des einstigen Kurz-Intimus und ÖBAG-Chefs Thomas Schmid. Dabei fällt auf, dass die ÖVP-Granden anstatt des Versuchs einer Rehabilitation des Rufs der Partei sturheil alles abstreiten. So etwa auch vor ein paar Wochen in der Sendung "Im Zentrum" ÖVP-Generalsekretär Stocker und Frau Scharzenberger aus der Jungen ÖVP.
Das Ganze erinnert mich ein wenig an das Problem narzisstischer Persönlichkeiten und ihrer tragischen Beziehungen. Namhafte ÖVP-ler:innen gebärden sich sehr ähnlich – und wenn sie selbst keine Narzissten sind, dann als nachhaltige Folge des sich stets grandios inszenierenden Ex-Kanzlers Kurz: So sind Narzissten zum Beispiel nie an etwas Schuld, es sind immer die anderen. Bei Kritik werden sie zu verfolgten, unschuldigen Opfern, an deren Größe niemand rütteln darf.
Und so lange sie die Macht haben, entwerten sie jede Kritik anderer.
Ähnlich die ÖVP und ihre Vertretung in "Im Zentrum": Kritik der Politologin Natascha Strobl wurde sofort mit deren SPÖ-Nähe (VSStÖ) entwertet. Ein angeblich falscher Vorwurf gegen Sympathie-Ranking-Schlusslicht Sobotka (noch hinter Kickl – warum nur?) diente dazu, gleich alle Aufdeckungen nur als "Behauptungen eines Einzelnen" zu entwerten. Der einstige ÖVP-Insider und Rechnungshofpräsident Fiedler wurde in seiner fundierten Kritik ständig unterbrochen und mit dem immer gleichen Verweis, was angeblich eh schon alles geschehen sei, abgewehrt.
Also alles paletti? Nein: Narzissten sind in ihrer Selbstherrlichkeit derart überzeugt von sich, dass sie sich ungeachtet der Realität immer im Recht fühlen. Die Empörung mancher ÖVP-Vertreter:innen ist deshalb nicht gespielt, aber: Das Ganze ist nicht mehr vernünftig erklärbar, sondern ein Fall für die Psychologie: Hier zappelt eine Partei in ihrer Selbstgerechtigkeit hilflos im Netz und schadet nicht nur dem Staat, sondern – wieder eine Parallele zu Narzissten! – auch sich selbst.
Josef Christian Aigner ist Psychologe, Pädagoge und Psychotherapeut und war Univ. Prof. in Innsbruck.
Josef Christian Aigner