Entsicherte Zeiten: Auch die Welt der Medien ist kein geschützter Raum mit krisenfester Statik mehr, auch sie ist Stürmen und Umbrüchen ausgesetzt. Alle Verlagshäuser unternehmen leidenschaftliche Anstrengungen, die Idee "Zeitung für die Zukunft" zuzurüsten. Sie stecken kniehoch im Unterholz der Transformation, erproben ihre Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit, neue Ausspielkanäle, Technologien, Erlösmodelle und digitale Erzählformen, alles beschleunigt, hybrid, datenbasiert und zielgruppenspezifisch. Die Zeit drängt.

Die Digitalisierung war ein geschichtlicher Einschnitt, ähnlich der revolutionären Wucht von Gutenbergs Buchdruck. "Fast alle sagen jetzt fast alles im Netz. Und wie es scheint – vorzugsweise nebeneinander, aneinander vorbei und gegeneinander", diagnostizierte der Gastredner Wolfgang Schäuble bei der Eröffnung des Parlaments. Es gibt nicht mehr die eine gemeinsame Öffentlichkeit, den einen gemeinsamen Erfahrungs- und Diskursraum, wo sich die Gesellschaft im kollektiven Gespräch über die wichtigen Fragen verständigt. Diese Öffentlichkeit zerfällt und zersplittert. Jeder holt sich seine eigene und giert nach Rückkoppelung und Selbstbestätigung: das gespiegelte Ich. Das hat Folgen. Man begegnet ihnen nicht nur in den Echokammern sozialer Medien. Es steht also nicht nur für die Medien viel auf dem Spiel, sondern auch für die Demokratie und das Gemeinwesen. In Amerika sind Lokalzeitungen nach und nach verschwunden. Sie haben Steppen hinterlassen.

Polykrise, das Wort haben die Medien auch aus der Binnenerfahrung kennengelernt. Die Herausforderungen türmen sich branchenweit übereinander wie die Bremer Stadtmusikanten. Der horrende Papierpreis, die zu den digitalen Fremdriesen abgeflossenen Werbegelder, der Rückgang des Gedruckten, die Nöte, das Netz an Zeitungszustellern aufrechtzuerhalten, das brüchige Verständnis für die Bezahlpflicht aufwendig hergestellter, digitaler Inhalte, das einsickernde Gift der Misstrauenskrise und der Chataffären: All das summierte sich zu einem toxischen Ragout an Verwerfungen.

Als vitales, starkes und eingewurzeltes Unternehmen hat sich die Kleine Zeitung den geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bisher erfolgreich gestellt. Sie hat mit knapp 65.000 die meisten Digital-Abonnentinnen und -Abonnenten und ist mit 200.000 Print-Beziehern, wie erst kürzlich ausgewiesen, unangefochtener Marktführer im Verbreitungsgebiet. Sie ist substanziell profitabel – gerade deshalb ist es ihre Pflicht, bei abfallender Ertragskraft rechtzeitig Maßnahmen zu treffen, um den wirtschaftlichen Erfolg gegen die Stürme der Zeit abzusichern. Das ist kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für die Unabhängigkeit. Das schloss neben organisatorischen und strategischen Justierungen auch eine personelle Verknappung mit ein. Sie betraf an den drei Redaktionsstandorten Graz, Klagenfurt und Wien neun Mitarbeiter. Eine schrille Schlagzeile des "Standard", achtlos aus dem Kontext herausgeschält, verstörte am Wochenende die Öffentlichkeit: "Kleine Zeitung bot gesamter Redaktion einvernehmliche Auflösung der Dienstverträge an." Der ORF repetierte am Abend das rufschädigende Zerrbild: Allen Redaktionsangehörigen seien "einvernehmliche Kündigungen angeboten" worden.

Das ist denunziatorischer Unfug. Die Kleine Zeitung hat selbstverständlich niemanden eingeladen oder gar aufgerufen, die Redaktion, das Herzstück des Unternehmens, zu verlassen. Schon gar nicht hat sie der "gesamten Redaktion" ein Scheidungsangebot unterbreitet. Eine absurde Vorstellung. Wovon die Geschäftsführung die Redaktion in Kenntnis setzte: Dass das Unternehmen im Nachhall der erfolgten Auflösungen dem Betriebsrat schriftlich zugesichert habe, die in den besagten Trennungsfällen gewährten Konditionen und sozialen Abfederungen auch dann zuzuerkennen, sollte jemand auf eigenen Wunsch das Unternehmen verlassen.

Es handelte sich also um ein passives Zugeständnis für Einzelfälle und nicht um eine frivole Einladung zur Selbstauflösung. Wir finden, unsere Leserfamilie, der wir auch künftig mit Hingabe und Seriosität eine inspirierende Zeitung bieten und diese stetig weiterentwickeln werden, hat ein Anrecht auf Klarstellung. Sie darf, die Konkurrenz muss weiter mit uns rechnen.