Ich war immer der Meinung, ob und wann und wie ich zum Ausdruck bringen möchte, dass ich sensibel bin, sei allein meine Sache, und dass dieses Vorrecht zu den elementaren Freiheiten im Alter zähle. Ich möchte nicht mehr erzogen oder umerzogen werden und wenn, möchte ich mir als Erwachsener meine Erzieher und Erzieherinnen selbst aussuchen können: meine Lieblinge beim Lesen (die Bachmann, der Briefwechsel !!), meine Ikonen in der Musik (Element of Crime, Pink Floyd), meine Bürochefin (die mir die beiden sprachbewusst zweifach gesetzten Endungen beim Diktat immer wortlos umreiht, zuerst die weibliche, dann die männliche) oder meine Töchter, weil der Erziehungsimpuls sich nach zwanzig Jahren umdrehen und reziprok funktionieren muss, sonst war der erste auch für die Fisch. Aber darüber hinaus mag ich echt keine Erzieher mehr, auch keine Erziehenden (allein wegen des Wortes ziehen) und schon gar keine, die mir aus dem Fernsehkastl was erzieherisch vorsagen und mir mitteilen, wie sensibel und haltungseloquent sie sind, obwohl mich ihr Bekenntnisdrang grad nicht interessiert, weil der Tag hart genug war. Auf Sensibilitätsdarsteller reagier ich sensibel, ich kann nichts dafür.