Phänomenale kontinentale Talente!

Die gar nicht fröhliche Zugreise der Staatenlenker Scholz, Macron und Draghi, erweitert um Rumäniens Präsidenten Klaus Iohannis, nach Kiew mündet jetzt sehr wahrscheinlich in den „sofortigen EU-Beitrittsstatus“ für die Ukraine. Man kann nur hoffen, dass dies einem langjährigen, durchdachten, bisher geheimen strategischen Plan entspringt - und zwar entgegen jedem Anschein. Aussehen tut’s nämlich nicht nach Plan, sondern nach Verlegenheit: Nachdem alles andere schwieriger, teurer, noch gefährlicher oder realpolitisch unmöglich ist, sagt man halt für irgendwann irgendwas zu, weil es heute noch nichts kostet. Also eine Verlagerung von Lasten in die Zukunft. Das wäre dann sozusagen die Fortsetzung der üblichen, unverantwortlichen EU-Schuldenpolitik mit anderen Mitteln.

Man kann sich natürlich immer herausreden, dass der Krieg alles über den Haufen geworfen hat und besondere Zeiten besondere Schritte erfordern. Mag sein. Aber die Unordnung im europäischen Haus nimmt exorbitante Ausmaße an. Mit der Türkei wird seit 1999 verhandelt, am Westbalkan stauen sich Albanien, Nordmazedonien, Serbien und Montenegro in der Warteschleife. Auch Bosnien hat 2016 den Beitritt beantragt. Nicht zu vergessen der Kosovo ante portas. Wenn die Ukraine, die Republik Moldau und vielleicht auch Georgien jetzt auf die Überholspur dürfen, werden die anderen „not amused“ sein. Der Erwartungshandel schürt die Hoffnungsinflation.

Davon abgesehen müssen dringend die Gremien und die Willensbildung reformiert werden, wenn die EU bei „35 plus“-Staaten wenigstens rudimentär handlungsfähig bleiben will. Das reicht von „Wer kriegt einen Kommissar“ über „Bleibt das halbjährliche Vorsitz-Radl“ bis zu „In welche Sprachen wird was übersetzt“. Nötig wird wohl mehrstufige Repräsentation. Vom Geld ganz zu schweigen. Und vor allem: Der Ukraine-Krieg ist jetzt aus Putins Sicht aufgewertet zum Beitrittsveto, denn ein in Konflikte verwickelter Staat darf nicht EU-Mitglied werden.

Fazit: Solidarität ist eine hehre Sache. Hoffentlich hat man diesen Schritt bis ganz an sein Ende durchgedacht. Sonst sitzt man plötzlich nicht auf dem west-östlichen Diwan, sondern zwischen allen Stühlen.

Dennoch unverzagten Fensterfreitag wünscht