Als kleines Präsent taugt ein „Klarer“ immer. Und so hatte auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) Schnaps (und Murmeltiersalbe) im Gepäck, als er sich vor zehn Jahren, Ende Mai 2012, in Richtung Seefelder Hochplateau aufmachte. Dort hatte die österreichische Fußball-Nationalmannschaft unter Coach Marcel Koller ihr Trainingslager aufgeschlagen. Star der Mannschaft, damals wie heute: David Alaba, der kurz davor das Champions-League-„Finale dahoam“ wegen einer Gelbsperre verpasst hatte und zuschauen musste, wie sein Klub FC Bayern München im Elferschießen gegen den FC Chelsea verlor.
An Platter, ehemaliger Verteidigungs- und Innenminister und seit 2008 Landeshauptmann, war der Hype um den damals knapp 20-Jährigen mit dem Wiener Slang aber offenbar vorbeigegangen. Mit einem vermeintlich polyglotten „How do you do?“ eröffnete der Landeshauptmann den Small Talk mit dem Bayern-Spieler. Auf ein irritiertes „Wieso redet denn der Englisch mit mir?“ legte Alaba ein höfliches „Danke, gut. Sie können ruhig Deutsch mit mir reden, ich bin Österreicher.“ drauf. Platter entschuldigte sich später und betonte, dass er Alaba nicht erkannt habe, weil seine Expertise eher beim Wintersport zu finden sei.
Viel Spott und Häme waren die Folge. Politisch hatte dieser Fauxpas aber natürlich keine Folgen – wie auch weit schwerwiegendere Ausrutscher in der schon mehr als 5000 Tage dauernden Zeit als Landeshauptmann. Kritik an Jagdeinladungen, Ischglgate oder desaströses Corona-Krisenmanagement: Platter saß Vorwürfe konsequent aus und zeigte sich als wandlungsfähiger politischer Überlebenskünstler. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes kann sich sehen lassen, Selbstgefälligkeit schien aber stets stärker ausgeprägt als Selbstkritik - ganz nach dem „Alles richtig gemacht“-Credo seines langjährigen Mitstreiters Bernhard Tilg, der nach einem Vergabeskandal in der Coronakrise gehen musste.
Als Landeshauptmann pflegte Platter bei Bedarf lustvoll den „Bisch a Tirola“-Abwehrkampf gegen Wien oder Brüssel (Transitverkehr) und wurde zum Kurz-Fan, um sich dann auf kritische Distanz zu begeben, als diese Zuschreibung nicht mehr opportun erschien. Heute wird der gelernte Buchdrucker und spätere Gendarmeriebeamte offiziell verkünden, dass er bei der nächsten Landtagswahl, die auf Herbst 2022 vorgezogen werden soll, nicht mehr antreten wird. Platter, aktuell längst dienender Landeshauptmann, dürfte damit auch in der eigenen Partei wieder einige auf dem falschen Fuß erwischt haben – wie schon bei der Regierungsrochade im Vorjahr. Chef der Tiroler Adlerrunde oder Präsidentschaftskandidat sind zwei nicht ganz ernst gemeinte Vorschläge, die für seine Zukunft kursieren.
Die Liste der Rücktritte in der ÖVP wird länger und länger, zunehmend einhergehend mit einem immanenten Misstrauensvorschuss und Glaubwürdigkeitsproblem. „Was steckt dahinter? Kommt da noch was?“, fragt man sich nach jeder Ankündigung. Im Unterschied zu vielen anderen ÖVP-Politikern laufen gegen Platter aber keine Korruptionsermittlungen. Gut möglich, dass der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner, gegen den die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Wirtschaftsbund-Inseratenaffäre ermittelt, der nächste auf der Liste der Rücktritte wird. „How do you do?“ braucht man ÖVP-Mitglieder derzeit wohl nicht zu fragen. Zu einer ORF-Diskussion zum Thema „Kassen, Konten, Korruption – die ÖVP unter Verdacht“ schickte man gestern Abend keinen Politiker, sondern Parteianwalt Werner Suppan. Mehr muss man über den Zustand der Partei eigentlich nicht wissen.
Einen unbekümmerten Wochenstart wünscht