März 2003 in Cape Town. Ein sonniger und milder Spätsommertag in Südafrika. Gemeinsamer Spaziergang am Camps Bay mit einer holländischen Arbeitskollegin und meinem südafrikanischen Kollegen Thabang. Dessen vierjähriger Sohn Lebo ist weniger fasziniert vom feinen, weißen Sandstrand als von den Wellen, die der Atlantik hier in schöner Regelmäßigkeit an Land rollen lässt. Lebo hüpft freudig in dem nur 16, 17 Grad warmen Wasser herum. Thabang (wie Nelson Mandela ein Angehöriger der Xhosa-Volksgruppe – die mit den Klicklauten in der Sprache) schaut glücklich auf seinen Sohn und genießt die unbeschwerte Zeit. Plötzlich sagt er: „Vor 15 Jahren hätten wir das noch nicht machen können. Da wäre ich dafür wohl noch eingesperrt worden.“ Worte, die lange nachhallen sollten. Worte, mit denen das, was das Apartheidsystem mit diesem Land gemacht hatte, noch greifbarer wurden.

Für schwarze und farbige Menschen waren die mondänen Strände von Camps Bay zu Zeiten der Rassentrennung gesperrt – nur zwei felsige Abschnitte durften sie betreten. Auch an vielen anderen Stränden hieß es bis Anfang der 1990er-Jahre: „This bathing area is reserved for the sole use of members of the white race group.“ Badebereich nur für Angehörige der weißen Rasse. Ein Detail als Sinnbild für ein Unrechtssystem. Was die schwarze Mehrheitsbevölkerung in Südafrika über Jahrzehnte ertragen musste, ist mit zeitlichem Abstand kaum zu glauben. 2003, rund zehn Jahre nach Ende des Apartheid-Regimes, war jedoch schon vieles davon erstaunlich weit weg. Rasante Transformation.

Dass der Weg zur Demokratie ohne massive Bürgerkriege und weitgehend friedlich gelang, hat das Land großen Persönlichkeiten und Friedensnobelpreisträgern zu verdanken: Der 2013 verstorbenen Ikone Nelson Mandela, „Übergangspräsident“ Frederik Willem de Klerk (er verstarb im November 2021) oder auch Erzbischof Desmond Tutu, der am zweiten Weihnachtsfeiertag in einem Pflegeheim in Kapstadt im Alter von 90 Jahren friedlich eingeschlafen ist. Tutu, der enge Mandela-Vertraute, war weit mehr als nur ein Geistlicher. Er war ein emotionaler Kämpfer gegen das Unrecht, ein Vermittler zwischen den Welten mit einem ansteckenden Lachen, ein friedvoller Erneuerer. Einer, der seiner Zeit oft voraus war. Und einer, der nach dem Ende des Apartheid-Regimes weiter kritisch hinschaute und den Finger in offene Wunden legte – etwa bei den korrupten Umtrieben von Mandelas Epigonen im African National Congress (ANC). Deren durchwachsenes Wirken zeigt, welche Ausnahmeerscheinungen da in den Jahren davor am Werk waren.

Tutus Traum von der Regenbogennation ist, trotz aller Herausforderungen in Südafrika, noch nicht ausgeträumt. Vieles hat sich seit dem Ende des Unrechtssystems zum Besseren verändert in dem Land – auch wenn die Mühen der Ebenen enervierend geworden sein mögen. Tutu ist jedenfalls als Vorbild für viele Lebensbereiche dienlich: Unrecht anprangern, da, wo es notwendig ist, sich selbst nicht immer zu ernst nehmen, Herausforderungen mit Zuversicht und Humor entgegentreten.

Einen optimistischen Wochenstart wünscht