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Luxemburgs Außen- und Migrationsminister Jean Asselborn betätigt sich zurzeit wieder als engagierter Widerstandskämpfer im Ringen um die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge in der EU. Und so ruft er nun alle EU-Staaten zum Widerstand gegen Österreich und Slowenien auf, zwei Länder, die sich für Hilfe vor Ort und in den angrenzenden Ländern, aber gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan aussprechen. Eine Position, mit der Sebastian Kurz und der slowenische Regierungschef Jansa für Asselborn die „Qualität verlieren, Europäer zu sein“.

Welche Qualität aber hat diese Attacke? Ist die Position Österreichs und Sloweniens eine unbarmherzige, ja nahezu barbarische Reaktion angesichts des Elends und der Gefahr, der zurzeit Zehntausende Afghanen ausgesetzt sind? Keulen lassen sich da viele in alle Richtungen schwingen. Wie jene, zu der postwendend Österreichs Außenminister zu Recht gegriffen hat. Denn wer sich als Retter und Widerstandskämpfer gegen scheinbar unbarmherzige Länder auf die Leiter stellt, sollte zunächst auch einen Blick auf das eigene Land und die Zahl der dort aufgenommenen Flüchtlinge riskieren.

Wie Asselborn auf die „herzliche Einladung“ des österreichischen Außenministers, zuerst einmal bei der Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen mit Österreich gleichzuziehen, reagieren wird? Welche neue Keule auch immer als Antwort geschwungen wird, die Zahlen sprechen eine klare und überzeugende Sprache. Immerhin weist Österreich gemessen an der Bevölkerung weltweit die viertgrößte Community an Afghanen und die zweitgrößte innerhalb der EU auf. Verständlich, wenn Schallenberg seinem Kollegen Jean Asselborn direkt und ohne die sonst übliche noble diplomatische Verwaschenheit ausrichten lässt, bevor er Ratschläge erteile, sollte er „zunächst einen ähnlichen Grad an Solidarität und Mitmenschlichkeit zeigen“. Da müsste Asselborn nach der Rechnung von Schallenberg zuvor allerdings sechs Mal so viele Afghanen aufnehmen, wie derzeit in Luxemburg leben.

Was Schallenberg hinzufügen hätte können? Dass Asselborn wohl dann erst die „Europäer-Qualität“ von Österreich hätte. Aber sarkastische Kritik, populistisch geschwungene Keulen helfen keiner einzigen Frau in Afghanistan. Wie auch die Forderung von SPÖ-Parteiobfrau Pamela Rendi-Wagner nach Aufnahme einiger Hundert afghanischer Frauen in Österreich nicht mehr als eine winzig kleine Geste der Solidarität wäre. Eine Geste, zu der sich Österreich problemlos bekennen könnte – ohne Gefahr zu laufen, falsche Signale zu senden.

Wie Migrationsforscher Gerald Knaus im Interview mit Claudia Gigler die Position der türkisen Regierung beurteilt, lesen Sie in unserer heutigen Ausgabe.  

Genießen Sie den heutigen Donnerstag in einem Land, in dem der Frieden eine - nicht geschätzte - Selbstverständlichkeit ist!