Den ersten Sommerurlaub in Montalto (Italien) verbrachten wir vor 35 Jahren. Damals waren erst drei Kinder mit – und meine Schwiegereltern. Wir hatten noch keinen großen Bus. Und keine Zelte. In dem Haus, das wir gemietet hatten, gab es jeglichen Komfort. Nur die Klimaanlage funktionierte nicht. Also klebten wir in der Nacht schweißnass auf unseren Leinentüchern und starrten schlaflos auf den Plafond, wo sich viele blutig-rote Flecken gebildet hatten, letzte Reste fetter Gelsen, denen ich einen gnadenlosen Kampf lieferte. Meine Waffe: ein Kopfpolster, den ich, kaum zeigte sich ein satter Sauger an der Wand, mit großer Wucht dagegenschleuderte.
Die Nächte waren nicht wirklich erholsam, auch tagsüber kamen wir selten zur Ruhe. Unsere drei Buben waren noch zu klein zum Schwimmen, aber sonst sehr rege. Zwei Jahre später fuhr außer Dominik, Benedikt und Nikolaus auch Antonia (sechs Wochen alt) mit, jedoch keine Schwiegereltern, dafür ihr damals mehr als 30 Jahre altes Zelt.
Wir standen an der Rezeption eines idyllischen Campingplatzes, da stürzte seine Besitzerin auf mich zu und krähte: „Belli bambini, complimenti!“ Darauf umarmte sie mich, drückte mir rechts und links einen Kuss auf die Wange und verschwand wieder.
Es war der Beginn einer dicken Freundschaft, und über all die Zeiten blieb das Begrüßungszeremoniell unverändert. Die alte Frau, wegen ihres Buckels, ihrer Hakennase und ihrer schnarrenden Stimme von mir liebevoll „Hexlein“ genannt, sprang herbei, warf einen Blick ins Wageninnere, zählte die Kinder, entdeckte den Neuzugang, zog mich an sich, busselte mich ab und kreischte: „Complimenti, Gioffredo!“ Dann riss sie mich ein paar Mal in einer Art wildem Begrüßungstanz um meine eigene Achse.
Als Sophie das erste Mal mitkam, waren es acht Kinder. Das Hexlein zählte gewissenhaft, umarmte mich wie immer, küsste mich wie immer. Plötzlich holte sie mit ihrer rechten Hand aus, blitzschnell, gab mir zwei Ohrfeigen, herzlich, aber kräftig, und krähte: „Otto bambini – basta, genug!“ Seit damals bekamen wir kein weiteres Kind mehr.
Gottfried Hofmann-Wellenhof