Schwer zu sagen, wer sich mehr auf die Fußball-EM freute: meine Söhne oder ich. (Ich meine: ich.) Nun soll es Leute geben, die für die Faszination des Fußballspiels kein Verständnis aufbringen können. Ich respektiere sie und sehe ein, dass sie diese Kolumne nicht zu Ende lesen wollen. Die Atmosphäre in einem Wohnzimmer, in dem sich mehrere Experten zwanglos auf dem Teppich vor dem TV-Gerät räkeln, hat was. Manchmal schreien sie, manchmal fallen sie einander vor Freude in die Arme, manchmal fluchen sie, manchmal raufen sie sich vor Wut die Haare. Manchmal stoßen sie Laute aus, die für Uneingeweihte rätselhaft bleiben müssen: „Geh bitte!“ Oder: „Jawoll!“ Oder: „Hin!“ Oder: „Was machst’n?“ Oder: „Naaa!“ Oder: „Geile Flanke.“

Wer in den wahren Zauber der Fußballsprache eintauchen will, muss nur einmal einem Match zweier Unter-Elf-Mannschaften beiwohnen. Die Hauptakteure: die Trainer, die ihre kleinen Kicker lautstark dirigieren, und ihre Assistenten, ca. elf Väter pro Mannschaft, mit einer Art Geheimcode. Hier dessen wichtigste Formeln und ihre Dechiffrierung: „Bringt’s die Haut am Boden!“ (Spielt den Ball flach.) „Jeder hot an!“ (Alle decken jeweils einen Gegenspieler.) „Hol’n ma’n uns!“ (Sehen wir zu, dass wir in Ballbesitz kommen.) „Woch ma auf!“ (Wörtlich: Wachen wir auf. In übertragenem Sinn: Zeigt mehr Engagement.) „Wüst’n einitrog’n?“ (Rhetorische Frage an einen Spieler, der statt zu schießen, mit dem Ball am Fuß über die Torlinie zu laufen versucht.) „Geh zuwi!“ (Geh hinzu! Attackiere den Gegner!) „Moch Meta!“ (Mach Meter! Lauf mit dem Ball!) „Spüln!“ (Den Ball zu einem Mitspieler passen.) „Schiri, bist blind?“ (Rhetorische Frage, die die Unbedarftheit des Unparteiischen, die Regelkunde betreffend, aufzeigt.) „Bist imma no per Sie mit da Pflanz´n?“ (Kannst du den Ball immer noch nicht richtig behandeln?)

Natürlich ist es nicht ganz unbedenklich, während der EM stundenlang mit seinen Söhnen vor dem Fernseher zu hocken, Chips zu knabbern und von Zeit zu Zeit wie irr „Toooor!“ zu brüllen. Aber es ist einfach wunderschön.