Ohne Industrialisierung und Technologisierung hätten wir nicht so viel von ihr zur Verfügung. Die Rede ist freilich von der Freizeit, die Karl Marx für einen Fortschritt hielt. Schließlich wäre „eine Nation wirklich reich, wenn 6 statt 12 Stunden gearbeitet wird.“ Reichtum wäre verfügbare Zeit, und sonst nichts. Sein kubanischer Schwiegersohn Paul Lafargue war in dieser Hinsicht anderer Meinung. Er sah die Erfindung der Freizeit kritisch. Ihr Zweck wäre nicht nur, den arbeitenden Menschen Erholung zu bieten, sondern sie währenddessen vor allem Dinge konsumieren zu lassen, die vorher erarbeitet wurden. Mit dem Ziel, weiteren Bedarf zu schaffen und das System am Laufen zu halten. Wer wirklich aus dem kapitalistischen Hamsterrad ausbrechen wollte, der sollte sich lieber ab und an der Faulheit zuwenden. Die radikale Verweigerung, in jedweder Form tätig zu sein, wäre der ultimative Widerstand gegen ein System des endlosen Verbrauchens, das zwangsläufig ruhelos und zwanghaft süchtig macht. Statt eines Tags der Arbeit sollte man lieber einen der Faulheit ausrufen. Kein Wunder, dass die Beziehung der beiden Herren zeitlebens zerrüttet blieb.

Genauso, wie unser Verhältnis zur Faulheit. Sozial akzeptabel ist diese nur, wenn sie sich innerhalb „sinnvoller“ Freizeitgestaltung tarnt. Wer würde sich trauen, den Kollegen auf die Frage, was man denn dieses Wochenende Tolles getan hätte, mit „Nichts!“ zu antworten. Selbst Kant, der zeitlebens als Mahner gegen Feigheit und Faulheit auftrat, musste zugeben, dass Faulheit nicht nur vor schädlichem Kräfteverzehr schützen, sogar noch Schlimmeres verhüten könnte. „Wenn nicht Faulheit noch dazwischenträte, würde die rastlose Bosheit weit mehr Übels, als jetzt noch ist, in der Welt verüben.“ Man stelle sich an diesem Tag vor, wie die Welt wohl wäre, wenn die heutigen Herostraten und Potentaten einfach mal fauler wären.

Lisz Hirn ist Philosophin, Publizistin und Dozentin in der Jugend- und Erwachsenenbildung in Wien.