Der Mittelstand begehrt auf! Zumindest einige, die sich als Sprecher dieser gesellschaftlichen Gruppierung sehen, jener Gesellschaftsschicht, um die sich in Wahlzeiten bekanntlich alle bemühen. Und wer sich nicht bemüht, dem wird - wie dem SPÖ-Parteiobmann - von politisch schwergewichtigen Gewerkschaftsvertretern für alle hörbar ins Ohr geflüstert, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden.

Der Vorsitzende des Senats der Wirtschaft hat jedenfalls gestern „die Politik in ihrer Ignoranz gegenüber dem Mittelstand als Gefahr für den Wirtschaftsstandort“ bezeichnet. Und Medien hat er „ideologiegetriebene Manipulationen“ sowie eine „Glorifizierung“ der Vier-Tage-Woche bzw. der 32-Stunden-Woche vorgeworfen. Welche Medien er da meinte, ließ er offen. Ob er vor allem den ORF mit seiner oft einseitigen Auswahl an Experten und Expertinnen im Auge hatte?

Wie auch immer, ob die Kritik, dass „die Kluft zwischen dem Mittelstand und der Welt der Konzerne und der Politik“ immer größer wird, zutrifft, wird wie so oft vom jeweiligen Standort des Betrachters abhängen. Letzterer bestimmt bekanntlich unser Denken, unser Urteil. Nicht zutreffen dürfte aber die Kritik der „Mittelstands-Sprecher“ bei der Entlastung der Einkommen. Da kümmere sich die Politik seit Jahren nur mehr um Bürger mit niedrigen Einkommen, unten werde entlastet, in der Mitte und oben abgeschöpft, lautete soeben das Urteil von Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn.

Auf den Punkt gebracht: Vor 20 Jahren zahlten weniger als 25 Prozent der Erwerbstätigen keine Steuern, in der letzten Erhebung der Statistik Austria waren es bereits 34,2 Prozent. Bleibt die Frage, warum die immer stärkere Belastung einer immer kleiner werdenden Gruppe von Vollzeiterwerbstätigen nahezu nie ein Thema ist. Oder die Frage, was es für eine Gesellschaft, den Wohlstand, das Sozial- und Pensionssystem eines Landes bedeutet, wenn das gesamte Lohn- und Einkommenssteueraufkommen von einer schrumpfenden Gruppe getragen wird. Warum sie schrumpft? Analyse von Schellhorn: Immer mehr würden erkennen, dass sich Mehrarbeit nicht mehr lohne. Zu befürchten? Dass dieses Ungleichgewicht, das vor allem der Mittelstand zu tragen hat, im kommenden Wahlkampf kein Thema sein wird. Passt auch nicht zur Botschaft einer Wohlfühlpolitik, die höhere Sozialleistungen durch höhere Steuern und nicht durch Leistungssteigerung verspricht.

Was übrigens jene verdienen, die nicht zum sogenannten Mittelstand gehören, verrät Ihnen in unserer heutigen Ausgabe mein Kollege Walter Hämmerle. Wie beispielsweise das durchschnittliche Jahresgehalt eines Vorstandes mit 219.000 Euro brutto oder das weit höhere Gehalt mancher ORF-Redakteure. Ob die neue ORF-Transparenzrichtlinie der Startschuss zu einer landesweiten Neiddebatte wird? Mit Sicherheit. 

Einen Donnerstag mit spannender Lektüre wünscht Ihnen