Von Zeit zu Zeit meldet sich Adriano Celentano noch in den sozialen Medien zu Wort, und er tut dies unter dem Namen "L'Inesistente", der Inexistente, also der Mann, den es gar nicht gibt. Das ist sicherlich eines der größten Understatements der Musikgeschichte, denn kaum jemand hat in den vergangenen Jahrzehnten in der italienischen Populärkultur eine so breite Spur hinterlassen wie er. Am 6. Jänner wird Celentano 85 Jahre alt.
Der Ohrwurm "Azzurro" machte ihn weltberühmt, weit über 100 Millionen Platten hat er in seiner langen Karriere verkauft und in Dutzenden Filmen mitgespielt. Der Mann mit der Reibeisenstimme kam 1938 als Sohn von Zuwanderern aus dem Süden in ärmlichen Verhältnissen in Mailand zur Welt. Er lernte von seinem Vater das Handwerk des Uhrmachers, doch schon bald wurde er der Mann, der den Rock 'n' Roll nach Italien brachte. Inspiriert von Bill Haley & his Comets gründete er seine erste Rockband, coverte Titel wie "Tutti Frutti" oder "Jailhouse Rock". 1960 durfte er in Federico Fellinis Kultfilm "La Dolce Vita" sich selbst spielen und rockte mit "Ready Teddy" die Caracalla-Thermen.
1959 gewann Celentano mit "Il tuo bacio è come un rock" ("Dein Kuss ist wie eine Rockmusik") das Festival von Ancona. Ein Hit auf den nächsten folgte, darunter "Il ragazzo della Via Gluck" ("Der Junge aus der Gluckstraße"), ein autobiografisch inspiriertes Lied, in dem er schon 1966 Themen wie Umweltschutz und Bausünden aufgriff – und das die Fans noch Jahrzehnte später in den Konzertsälen mitsangen.
1968 kam das von Paolo Conte geschriebene "Azzurro", ein Lied von Tagträumen an einem Sommernachmittag in der Stadt und einer fernen Frau, ein Stück Italiengefühl pur, die Sehnsuchtsmelodie zum Sehnsuchtsland vieler Mitteleuropäer. Das inflationsgeplagte Italien der 70er-Jahre besang Celentano in "Svalutation", der Titel eine Anglisierung des Wortes "Svalutazione" (Abwertung).
Neben der unverwechselbaren Stimme, dem markanten Gebiss und den strähnigen Haaren wurde der eigentümlich federnde Gang zu Celentanos Markenzeichen – weshalb ihn die Italiener "Il Molleggiato" ("Der Gefederte") nennen. Als solcher machte er auch vor der Kamera "bella figura". Er spielte in rund 40 Filmen, die meisten eher einfach gestrickt, aber oft zum Brüllen komisch. Dazu zählen "Der gezähmte Widerspenstige" und "Gib dem Affen Zucker" mit Ornella Muti oder "Der Größte bin ich". Bei etlichen Filmen führte Celentano auch Regie oder schrieb das Drehbuch, in "Yuppi Du" gleich beides.
Showman und Gentleman
Den "Showman", wie es auf Neuitalienisch heißt, kennen die Zuschauer zwischen Brenner und Brindisi, Padua und Palermo auch vom heimischen Bildschirm, aus TV-Shows wie "Fantastico 8" oder "Rockpolitik" zum Beispiel. Der Inter-Mailand-Fan redete viel über Themen wie Umwelt, Tierschutz und große Politik, verfiel dabei manchmal arg in die Predigerrolle. Bekannt wurde er auch als scharfer Kritiker des viermaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.
Verheirat ist "Il Molleggiato" mit der Schauspielerin, Sängerin und Produzentin Claudia Mori. Am 14. Juli 1964 gaben sie sich in der Kirche San Francesco in Grosseto das Ja-Wort – morgens um 3.30 Uhr, um die Paparazzi auszudribbeln, wie man heute noch nachlesen kann. "Siamo la coppia più bella del mondo" ("Wir sind das schönste Paar der Welt") sangen sie 1967 im Duett, und wer mochte ihnen da widersprechen. Anscheinend war in der Ehe aber nicht immer alles "bello", denn Anfang der 80er-Jahre sollen die beiden mehrere Jahre getrennt gelebt haben. Hartnäckig hielten sich Gerüchte über eine Affäre des Sängers mit Ornella Muti. "Ich hatte was mit Adriano Celentano", sagte Muti 2014 der Zeitung "Il Fatto Quotidiano".
So weit bekannt, konfliktfrei verlief die berufliche Beziehung zwischen Celentano und seiner Duettpartnerin Mina. 1998 veröffentlichten sie zusammen ein Album mit dem simplen Titel "Mina Celentano", ein Riesenerfolg mit rund zwei Millionen Verkäufen. 2016 – da waren sie schon 78 und 76 Jahre alt – sangen sie zusammen auf dem Album "Le migliori" ("Die Besten").
Private Feier
Wo und wie der Cantore seinen runden Geburtstag feiert, bleibt Privatsache. "Esco di rado e parlo ancora meno" – ich zeige mich selten und rede noch weniger – lautet der Titel eines Albums aus dem Jahr 2000, ein Vers aus einem Lied Celentanos und wohl auch sein heutiges Lebensmotto. Als "L'Inesistente" äußert sich Celentano aber immer mal wieder im Netz zur aktuellen Politik. Letztens nannte er es "rivoluzionario", dass mit der Vereidigung Giorgia Melonis erstmals eine Frau Regierungschefin in Italien wurde. Manchmal ist der Übergang zwischen öffentlich und privat bei ihm fließend: Unter einem allgemeinen Satz zur schwierigen Weltlage lud er im Sommer ein Video mit alten Aufnahmen von seiner Frau und sich hoch. Claudia und Adriano jung und schön – la coppia più bella del mondo.